Gewalt ist eine Loesung
Leuten?«
Genau das war die Frage. Und die Antwort hätte kaum ein Mensch verstehen können. Wie konnte ein Mensch von Montag bis Freitag im Dienste der Polizei für Recht und Ordnung sorgen und am Wochenende als Hooligan bundesweit verbrannte Erde hinterlassen? Wie konnte das zusammenpassen? Der Polizist sah mich erstaunt und fragend an. »Ach, ich fahre nur ab und zu mit ein paar alten Freunden aus der Schulzeit mit, schau mir etwas Fußball an und trink ein Bier. Das war’s!« Ich stand mit nacktem Oberkörper, tätowiertem Oberarm und tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe vor ihm und hatte ihm soeben erklärt, ein Polizei-Kollege zu sein. Was mochte in diesem Kollegen vorgegangen sein?
Er musterte mich kopfschüttelnd. Für ihn schien eine Welt zusammenzubrechen. Er hatte deutlich erkennbar Schwierigkeiten, diese Information zu verdauen. Nur langsam entwickelte sich wieder ein Gespräch. Er stimmte mir zu, dass sich einige seiner Kollegen bei diesem Einsatz zu viel herausgenommen hätten. So etwas hätte er auch noch nicht erlebt. Eine solche Eskalation wäre auch nach seiner Einschätzung vermeidbar gewesen.
Ein paar Minuten später ging er zu seinem Vorgesetzten und legte ein gutes Wort für Olaf ein. Kurze Zeit später kam er zurück. »Du kannst deinen Freund mitnehmen – die Anzeige wird aber trotzdem gefertigt.« Ich reichte ihm erleichtert die Hand. Er hielt sie fest und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. »Pass auf dich auf. Bleib anständig – und keinen Blödsinn mehr machen!« Der Polizist öffnete Olafs Handschellen und ließ uns gehen. Wie geschlagene Hunde verließen wir das Stadion.
Der Bus war komplett von der Polizei umstellt. Ein Teil des Mobs fehlte immer noch. Fünf Jungs mussten nach wie vor im Krankenhaus behandelt werden, weitere acht saßen in einem Gefangenentransporter. Es war völlig unklar, wann und mit wie vielen Jungs wir die Rückreise antreten würden. Nach und nach wurden die Festgehaltenen wieder freigelassen. Auch die zugekokste Knast-Connection. Sie hatten sich nach fünf Stunden Zelle wieder etwas erholt und glotzten verwirrt all die Jungs mit ihren zerrissenen Klamotten und den durchgebluteten Kopfverbänden an. Irgendwie schienen sie zu registrieren, dass sie etwas verpasst hatten.
Sehr viel später fuhr der Bus dann endlich los und die ersten Insassen machten sich schon wieder über die letzten Alkoholreste her. Brühend warme Bierflaschen wurden geöffnet und hemmungslos leer gesoffen. Ich versuchte, mich ein wenig abzukapseln. Nach Feiern war mir nicht zumute. Da war etwas geschehen, das mir nicht gefallen konnte. Ich war zwischen alle Fronten geraten. Natürlich war mir klar, mit wem ich da im Bus saß. Die meisten von denen waren meine Freunde. Und gegen eine ordentliche Schlägerei hatte ich noch nie etwas einzuwenden. Aber nicht gegen Polizisten. Was ich in Edenkoben gesehen hatte, gefiel mir ganz und gar nicht. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite.
Wir standen die gesamte Rückreise unter starker Polizeibewachung. Vor uns ein Mannschaftswagen mit zehn Polizisten an Bord, dahinter der Kamerawagen, der den Bus ständig filmte, und hinter uns ein weiterer Mannschaftswagen mit rund zehn Mann Besatzung. Am Ende dieses merkwürdigen Konvois fuhren die beiden SKBs aus Bielefeld, die während der Ausschreitungen wie vom Erdboden verschluckt waren. Der Busfahrer hatte die Anweisung, unter gar keinen Umständen anzuhalten. Die vorgeschriebenen Ruhezeiten wurden einfach außer Kraft gesetzt. Der Mann musste durchfahren – in eine plötzliche Verkehrskontrolle würde dieser Bus bestimmt nicht geraten.
Die Fahrt zurück aus Edenkoben war ein einziger Alptraum. Der geplante Showdown mit den Lauterer Hools war geplatzt und stattdessen wurden wir von einer SEK-Einheit plattgemacht. Für Euphorie oder adrenalingeladene Machtgesänge gab es überhaupt keinen Grund. Eine geschlagene Armee wurde aus der Pfalz geschmissen – erbärmlicher konnte man sich gar nicht fühlen.
In dem völlig überhitzten Bus waberte ein kaum auszuhaltender Gestank. Die Bustoilette war schon auf der Hinfahrt verstopft. Nun stand eine knöchelhohe Brühe aus Kot, Pisse und Erbrochenem in dem kleinen Klo. Ein infernalischer Gestank lag in der Luft. 50 Männer, die nach Schweiß und Alkohol stanken, in Wodkaflaschen pissten und ihre blutigen Verbände einfach auf den Boden warfen. Wie konnte man so etwas überhaupt aushalten? Wie konnten zivilisierte Menschen – und fast alle
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