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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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erstmals richtig schwer, auch nur ein bisschen Verständnis für meine Polizistenkollegen aufzubringen.
    In kürzester Zeit entwickelte sich eine wüste Schlägerei. Die Hundeführer gaben ihren Tieren immer mehr Leine frei und ließen sie zubeißen. Die Hunde sprangen hoch und bissen sich in den zur Abwehr gehobenen Händen und Unterarmen fest. Von oben knallten die Schlagstöcke auf die Köpfe und Schultern der Jungs nieder. Die ganz vorne standen, bluteten aus den tiefen Bisswunden der Hunde und auf ihren Köpfen platzte die Haut auf, wie bei Tomaten unter heißem Wasser. Aber das Adrenalin war nun auf Maximum gestellt. Blut und Wunden: ja – Schmerz: nein.
    Der Polizei gelang es noch immer nicht, den Haufen zurückzudrängen. Beide Parteien standen sich nun wie eine Horde Kampfhunde gegenüber. Einzelne Bielefelder stürzten sich nach vorne und suchten den direkten Kampf. Auch die ersten Polizeibeamten wurden mit Platzwunden im Gesicht nach hinten durchgereicht. Was wir in diesem Moment nicht wussten: Der Polizeiführer hatte in der Zwischenzeit per Eilmeldung ein Spezialeinsatzkommando aus Mainz zur Verstärkung angefordert. Kampfmaschinen, die auf Geiselnahmen, Kapitalverbrecher und besonders heikle Verhaftungen spezialisiert waren. Diese Spezialbeamten wurden nun mit Hubschraubern von Mainz nach Edenkoben geflogen. Insgesamt 30 Mann.
    Kurz nach Ende der Halbzeitpause trafen sie ein. Die Lage hatte sich gerade einigermaßen beruhigt. Die SEK-Männer trugen Overalls, ausgerüstet mit den damals neuen Tonfa-Schlagstöcken und Handschuhen mit verstärkten Quarz-Aufsätzen über den Gelenken. Die sollten die empfindlichen Handgelenke schützen und gleichzeitig die Schlagwirkung um ein Vielfaches erhöhen. Im Grunde waren das staatlich legitimierte Schlagringe, die für den »normalen« Bürger verboten waren. »Passive Bewaffnung« hieß so etwas in Beamtendeutsch.
    Die SEK-Einheit nahm den Haupteingang und stürmte direkt auf uns zu. Schwer auszumachen waren wir nicht – 100 Kerle mit nackten, tätowierten Oberkörpern, umkreist von Polizisten. Die Ausschreitungen waren zu dem Zeitpunkt schon vorbei. Die SEK-Männer stürmten dennoch in unsere Gruppe und fingen wahllos das Knüppeln an. Die harten Spezialstöcke knallten auf Schädel und Schlüsselbeine. Die Anzahl der verletzten Bielefelder Jungs stieg im Sekundentakt. Ich war fassungslos. Gegen eine gepflegte Schlägerei mit den Lauterer Hools hätte ich ja gar nichts gehabt, aber eine Schlägerei mit dem SEK? Das ging nicht. Ich wollte doch selbst irgendwann zum Spezialeinsatzkommando Bielefeld wechseln. Was aber sollte dieser völlig übertriebene, brutale Auftritt? Hätte das irgendwann meine berufliche Heimat werden sollen?
    Die Blue Army hielt dagegen. Die ersten SEK-Beamten bekamen harte Tritte und Schläge ins Gesicht. Jetzt herrschte Krieg. Unmittelbar neben mir knallte ein Schlagstock auf das rechte Schulterblatt von Markus. Es brach unter einem laut vernehmbaren Knackgeräusch. Ben sprang nach vorne und knallte dem Beamten seine rechte Faust auf dessen linkes Auge, das blitzartig anschwoll. Ein Schäferhund bohrte sich in Kais Oberschenkel. Fassungslos starrte er auf die klaffende Fleischwunde, die später im Krankenhaus genäht werden musste. Der Bielefelder Haufen zog sich nun ein paar Meter zurück.
    Ich blieb stehen, sodass ich direkt vor drei nachrückenden SEK-Beamten mit schwingenden Knüppeln stand. Ich hob die Hände hoch und versuchte sie zu beschwichtigen. »Hey Jungs, hört doch auf mit dem Blödsinn. Es ist doch alles vorbei. Lasst es sein!« Die Männer des SEK hielten verwundert inne. War das eben ein ordentlicher Ton? Sie schauten mich an und blieben stehen. Mit einer beruhigenden Geste hatte ich immer noch meine Arme leicht angehoben. »Es ist doch gut, hört auf mit dem Scheiß. Es ist alles vorbei.« Sie nahmen ihre Knüppel runter und gingen zur Seite.
    Rechts von mir standen weitere SEK-Beamte, die von einigen Bielefeldern auf das Übelste beschimpft wurden. Ich sah den Polizisten in die Augen und bemerkte, dass auch sie sich in einem Gewaltrausch befanden. Sie hatten diesen Tunnelblick, den ich bei der Blue Army kennengelernt hatte. Sie wussten zwar, dass sie überreagiert hatten, aber in diesem Moment schien ihnen das völlig egal zu sein. Kein Polizeigesetz hätte dieses Handeln rechtfertigten können. Aber auch das spielte in diesem Augenblick keine Rolle mehr. Der Gegner war eine randalierende Hooligan-Schlägertruppe aus

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