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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Schweißtropfen aus allen Hautporen. »Dein Gesicht ist geschwärzt. Wer dich kennt, weiß aber sofort Bescheid«, sagte meine Freundin. »Deine Baseballkappe, nackter Oberkörper, man erkennt deine Tätowierung. Das bist du. Du stehst inmitten von fünf Polizisten, die auf dich zugehen. Auf dem Boden liegt ein festgenommener Mann.«
    Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett und zog mich an. War’s das nun? Sollte ich jetzt doch auffliegen? Meine Freundin war außer sich. Vorwürfe, Tränen, Schweigen. Wann ich endlich erwachsen werden wollte, fragte sie mit stockender Stimme. Ja, wann denn nur? Ich legte den Hörer auf, hastete aus der Wohnung, um mir eine Zeitung zu kaufen. In meiner Halsschlagader pochte und pulsierte es in Höchstgeschwindigkeit. Dann schlug ich die Seite auf und tatsächlich – der auf dem Bild war ich!
    Unverkennbar. Ich. Der Polizist Stefan Schubert im Einsatz – auf der falschen Seite. Was für eine Scheiße! Oder gab es doch noch einen Ausweg? Nicht jeder würde mich identifizieren können. Mein Gesicht war geschwärzt. Nicht zu erkennen. Dachte ich zumindest. Aber diese Hoffnung musste ich schnell begraben. Schon wenig später erfuhr ich, dass in Bielefelder Polizeikreisen über mich und dieses Foto getuschelt wurde. Die Schlinge zog sich also doch zu. Das zumindest musste ich damals annehmen. Ich musste abwarten. Warten. Bis sie sich bei mir melden würden. Aber niemand hakte nach und keiner machte eine Meldung. Bliebe vielleicht noch abzuwarten, was auf den Polizeivideos zu sehen sein würde.
    Ein paar der in Edenkoben zusammengeschlagenen Jungs erstatteten Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die Polizei. Die damit beauftragten Rechtsanwälte forderten die Edenkobener Polizei auf, die Videoaufzeichnungen zur Beweismittelsicherung bereitzustellen. Nach wochenlangem Zögern teilte die Pfälzer Polizeibehörde mit, dass wegen eines technischen Defektes alle Aufnahmen versehentlich gelöscht worden seien. Es gäbe kein Filmmaterial mehr. Ein Polizeivideo, das dokumentiert hätte, wie 30 SEK-Beamte möglicherweise Straftaten begangen hatten, war aus Versehen gelöscht worden … Waren wir in Kolumbien? Oder in Mexiko?
    So empörend diese Vertuschungsaktion war, für die Blue Army kam sie einem Hauptgewinn gleich. Keine Videos – keine Beweise. Der schwere Landfriedensbruch, die gefährliche oder schwere Körperverletzung und der Widerstand gegen Polizeibeamte – nichts davon war ohne diese Filme mehr nachzuweisen. Sicher, die Polizisten hätten ihre Aussagen machen können – aber was davon hätte in einem Strafverfahren Bestand gehabt? Besonders dann, wenn versierte Strafverteidiger unangenehme Zwischenfragen gestellt hätten? Nach und nach wurden ein paar Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung gegen einige Bielefelder Hooligans eröffnet, die nach wenigen Monaten ohne weitere Begründung wieder eingestellt werden mussten. Das Krawallspiel des Jahres endete mit vielen Verletzten auf beiden Seiten. Aber ohne jede Strafverfolgung. Ich selbst war bei dieser Sache kurz davor, aufzufliegen. Aber eben nur kurz davor …

9. Kantersieg –
Eine verhängnisvolle Begegnung
    Die 90 Minuten eines Fußballspiels stehen fest. Meine Spieldauer und mein Spielverlauf waren völlig offen. Im Grunde stand ich ständig vor dem Platzverweis. Ob ich je den regulären Schlusspfiff hören würde, war völlig offen. Nur eines war klar: Mit dieser Art von Doppelleben bettelte ich geradezu um die Rote Karte. Fragte sich nur noch, wann sie mir gezeigt würde.
    Und so ging das Spiel weiter. Immer weiter. Fast einem Ritual gleich spulten wir alle unser Programm ab. Von Montag bis Freitag den bürgerlichen Teil – an den Wochenenden dann das wahre Leben. Die Action, der Thrill, das Spiel mit dem Feuer. Und dazu gehörte auch das »Cobra«, unser Stammlokal im Bielefelder Nachtleben.
    An den Wochenenden, ganz egal zu welcher Uhrzeit, konnte man sich fast blind darauf verlassen, mindestens 10 bis 20 Jungs im »Cobra« zu treffen. An manchen Abenden feierten bis zu 60 Mitglieder der Blue Army Bielefeld in dem Laden, was bei insgesamt knapp 200 Gästen einen beträchtlichen Schnitt ausmachte.
    Die Kneipe lief gut. Musik dröhnte durch den engen Raum, 80er-Jahre-Pop- und -Partymusik, Bier, Korn, Wodka, schöne Mädchen, die verstohlen zu uns herüberschauten, wie wir mit nackten Oberkörpern unser Dasein feierten. Das Leben als Rausch mit schnellen Schlägereien und

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