Gewalt
Jahren gewaltig an Beliebtheit. Wenn es aber um das Marketing ging, gehörte es in eine andere Zeit. Heute kommen in den Werbeanzeigen für Fitnessstudios und Sportartikel keine Faustschläge zur Wiederherstellung männlicher Ehre vor. Es ist vielmehr eine narzisstische und fast homoerotische Bilderwelt. Schwellende Brustmuskeln und eine gerippte Bauchmuskulatur werden in künstlerischer Nahaufnahme gezeigt, damit beide Geschlechter sie bewundern. Sie versprechen einen Vorteil in Schönheitswettbewerben, aber nicht in Machtkämpfen.
Abbildung 1 - 1 :
Alltägliche Gewalt in einer Bodybuilding-Werbung ( 1940 )
Noch revolutionärer als die Verhöhnung der Gewalt gegenüber Männern ist der Spott über Gewalt gegen Frauen. Viele aus der Nachkriegsgeneration erinnern sich noch gern an »The Honeymooners«, eine Fernsehserie aus den 1950 er Jahren: Darin spielt Jackie Gleason einen vierschrötigen Busfahrer, dessen Pläne für schnellen Reichtum von seiner pragmatischen Ehefrau Alice ins Lächerliche gezogen werden. In einer der immer wiederkehrenden Pointen der Show schüttelt der wütende Ralph die Fäuste in ihre Richtung und brüllt: »Eines Tages, Alice, eines Tages … PENG , genau in die Schnauze!« (Oder manchmal auch »Peng, bum, direkt auf den Mond!«). Alice lachte immer darüber, aber nicht weil sie einen Mann verachtet hätte, der Frauen schlagen wollte, sondern weil sie wusste, dass Ralph dafür in Wirklichkeit nicht Manns genug war. Heute würde unsere Sensibilität in Sachen Gewalt gegen Frauen dazu führen, dass solche Comedy-Szenen in einem massenkompatiblen Fernsehprogramm undenkbar wären. Oder betrachten wir diese Werbung aus der Zeitschrift
Life
von 1952 (s.S. 60 ):
Abbildung 1 - 2 :
Häusliche Gewalt in einer Kaffee-Werbung von 1952
Heute wäre die spielerische, erotisierende Darstellung häuslicher Gewalt in einer solchen Anzeige völlig inakzeptabel. Und sie war noch nicht einmal die einzige. In einer Anzeige für Hemden der Marke Van Heusen aus den 1950 er Jahren wird ebenfalls eine Frau verprügelt, und eine Anzeige für Frankiermaschinen von Pitney-Bowes von 1953 zeigt einen verärgerten Chef, der eine störrische Sekretärin mit den Worten anbrüllt: »ist es immer illegal, eine Frau umzubringen?«
Und dann gibt es noch
The Fantasticks
, die am längsten laufende Show am Broadway mit ihrem Liedchen »It depends on What You Pay« im Stil von Gilbert und Sullivan (dessen Text auf einer Übersetzung aus dem Jahr 1905 von Edmond Rostands Stück
Les Romanesques
basiert). Zwei Männer planen eine Entführung, wobei der Sohn des einen die Tochter des anderen retten soll:
You can get the rape emphatic.
You can get the rape polite.
You can get the rape with Indians:
A very charming sight.
You can get the rape on horseback;
They’ll say it’s new and gay.
So you see the sort of rape
Depends on what you pay.
Das Wort
rape
bezeichnet hier zwar die Entführung und keinen sexuellen Anschlag, aber seit der Uraufführung des Stücks im Jahr 1960 und dem Ende der Vorstellungen im Jahr 2002 veränderten sich die Empfindlichkeiten in Bezug auf das Wort »rape«. Der Librettist Tom Jones (der keinerlei Verbindung mit dem walisischen Sänger hat) erklärte mir:
Mit der Zeit wurde ich unruhig bei dem Wort. Langsam, ganz allmählich machten sich die Dinge bei mir bemerkbar. Überschriften in Zeitungen. Berichte über brutale Massenvergewaltigungen und über Vergewaltigungen bei Verabredungen (»date rapes«). Ich dachte: »Das ist nicht komisch.« Sicher, wir haben nicht von »echter Vergewaltigung« gesprochen, aber es gibt keinen Zweifel, dass ein Teil des Gelächters von dem Schock herrührte, das Wort auf diese komische Weise zu verwenden.
In den frühen 1970 ern haben die Produzenten des Stücks Jones’ Antrag auf Änderung der Texte zurückgewiesen, ihm aber gestattet, dem Song eine Einführung hinzuzufügen, in der die gewollte Bedeutung des Worts erklärt wird, und dessen Wiederholungen zu reduzieren. Als das Stück 2002 abgesetzt worden ist, hat Jones den Text für eine Neuinszenierung 2006 völlig neu geschrieben und rechtlich sichergestellt, dass nur noch die neue Fassung überall auf der Welt aufgeführt werden darf. [56]
Bis vor kurzem waren auch Kinder ein Ziel legitimer Gewalt. Eltern schlugen ihre Kinder nicht nur – eine Bestrafung, die heute in zahlreichen Ländern verboten ist –, sondern sie benutzten dazu auch häufig Waffen, beispielsweise eine Haarbürste oder
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