Gewalt
oder Mord zu bewahren. Solche Siege sollten wir selbst dann, wenn sie nur Teilerfolge sind, anerkennen, würdigen und zu verstehen versuchen.
Bürgerrechte und der Rückgang von Lynchjustiz und Rassenpogromen
Wenn man an die amerikanische Bürgerrechtsbewegung denkt, fallen einem meist 20 Jahre voller schlagzeilenträchtiger Ereignisse ein. Es begann 1948 , als Harry Truman die Rassentrennung in den US -Streitkräften aufhob; beschleunigt wurde die Entwicklung während der 1950 er Jahre, als der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung in den Schulen verbot und als Rosa Parks inhaftiert wurde, weil sie ihren Sitz im Bus nicht für einen Weißen räumen wollte, woraufhin Martin Luther King einen Boykott organisierte; der Höhepunkt war schließlich Anfang der 1960 er Jahre erreicht, als 100 000 Menschen nach Washington marschierten und von King die vielleicht großartigste Rede der gesamten Geschichte hörten; und der krönende Abschluss war die Verabschiedung des Voting Rights Act 1965 und der Civil Rights Acts von 1964 und 1968 .
Angekündigt wurden diese Triumphe von stilleren, aber nicht weniger wichtigen Ereignissen. King begann seine Rede von 1963 mit der Feststellung: »Vor hundert Jahren unterzeichnete ein großer Amerikaner, in dessen symbolischem Schatten wir heute stehen, die Emanzipationsproklamation. Sie kam für die Negersklaven wie ein freudiger Tagesanbruch nach der langen Nacht ihrer Gefangenschaft. Aber hundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei.« Dass die Afroamerikaner ihre Rechte in dem dazwischenliegenden Jahrhundert nicht wahrnahmen, lag daran, dass sie durch Gewaltandrohung eingeschüchtert wurden. Nicht nur die Regierung setzte Rassentrennung und diskriminierende Gesetze mit Gewalt durch, sondern Afroamerikaner wurden auch durch jene Kategorie von Gewalt, die als zwischengemeinschaftlicher Konflikt bezeichnet wird, an ihrem Platz festgehalten. Dabei macht eine Gruppe von Bürgern – die durch Rasse, Stammeszugehörigkeit, Religion oder Sprache definiert ist – eine andere zur Zielscheibe. In vielen Teilen der Vereinigten Staaten wurden afroamerikanische Familien von organisierten Verbrechern wie dem Ku-Klux-Klan terrorisiert. Und es gab Tausende von Zwischenfällen, bei denen eine Volksmenge einen Einzelnen öffentlich folterte und hinrichtete – Lynchjustiz – oder bei denen es zu einer Orgie von Vandalismus und Mord gegen eine Gemeinschaft kam – ein Rassenpogrom, auch als tödlicher ethnischer Aufruhr bezeichnet.
In seinem maßgeblichen Buch über den tödlichen ethnischen Aufruhr analysierte der Politikwissenschaftler Donald Horowitz Berichte über 150 Episoden dieser Form der zwischengemeinschaftlichen Gewalt aus 50 Staaten und legte ihre gemeinsamen Merkmale offen. [1039] In einem ethnischen Aufruhr treffen Aspekte von Völkermord und Terrorismus mit eigenen Merkmalen zusammen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Formen der kollektiven Gewalt ist er nicht geplant, hinter ihm steht keine ausdrücklich formulierte Ideologie, und er wird weder von einem Anführer erdacht noch von einer Regierung oder Miliz ausgeführt; er ist aber darauf angewiesen, dass die Regierung mit den Tätern sympathisiert und wegschaut. Seine psychologischen Wurzeln sind aber die gleichen wie beim Völkermord. Eine Gruppe reduziert die Mitglieder einer anderen auf ihre Wesensform und bezeichnet sie als weniger menschlich und/oder von Natur aus böse. Ein Mob bildet sich und geht gegen sein Ziel vor – entweder präventiv aufgrund einer Hobbes’schen Angst, selbst zum Ziel zu werden, oder zur Vergeltung für ein heimtückisches Verbrechen. Die Bedrohung oder Tat, die den Anlass gibt, wird in der Regel durch Gerüchte verbreitet, ausgeschmückt oder frei erfunden. Die Täter lassen sich von ihrem Hass hinreißen und schlagen mit teuflischer Wut zu. Sie plündern nicht, sondern verbrennen und zerstören das Eigentum der anderen, und sie töten, vergewaltigen, foltern oder verwunden wahllos Mitglieder der verachteten Gruppe, statt die angeblichen Übeltäter zu suchen. In der Regel gehen sie nicht mit Feuerwaffen, sondern mit Stichwaffen und anderen handlichen Gerätschaften auf ihre Opfer los. Die Täter (natürlich meist junge Männer) führen ihre Gräueltaten in euphorischer Hektik aus und empfinden hinterher keine Reue, denn sie haben nach eigener Einschätzung nur zu Recht auf eine unerträgliche Provokation reagiert. Ein ethnischer Aufruhr vernichtet die Zielgruppe nicht, fordert
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