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Gewalten

Gewalten

Titel: Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Manschetten fummle.
    Magister Steinbauer hat also offenbar seiner eigenen kleinen Tochter die Hände weggehackt, als sie ihm die in dieser Abwehrbewegung entgegenhielt, denn anders können sie diese Abwehrbewegungen nicht konstatieren, wo
sie
doch nichts mehr sagen kann dazu. Der Magister Steinbauer hat seinen Magister gemacht an der Universität. Um mit einer Axt fünf Menschen zu erschlagen, braucht man eine gute, langstielige Axt und nicht unbedingt einen Magister, ich habe nur ein Diplom, und vielleicht braucht man das Moment der Überraschung, eine Axt ist eine Axt, und eine Rose ist eine Rose. Deswegen habe ich eine Axt im Haus, falls jemand mit einer Axt kommt. Rosen für den Axtmörder. Und ich will hier raus, weil ich es nicht aushalte, so hilflos hier zu liegen, Arme und Beine fixiert, und nichts verändert sich im Raum, nur die dünne Eisdecke ist längst gesprengt, und Axtmörderfische und Wut und Angst ... und ich ziehe und zerre an diesen Kunststoffmanschetten,
die meine Unterarme festhalten, und sie werfen ihm vor, dass er feige sei, weil er sich umbringen wollte danach, es aber nicht getan hat, wie willst du dich mit einer Axt umbringen, aber ... »Es findet sich schon irgendwo ein Berg, von dem man sich herunterstürzen kann, ein Strick, eine Eisenbahnschiene.« Sagt das Gericht. »Konsumieren Sie Drogen?« Das ist in meinem Kopf, weil ich die Zeitung viel zu oft studiert hab, der Magister Steinbauer benimmt sich wie die Axt in Österreich, der Magister Steinbauer rottet seine Sippe aus, weil sein kleiner Betrieb pleite ist, die Wirtschaftskrise dezimiert die Menschheit, und jetzt schweige ich und konzentriere mich auf den Würfel, in dem ich liege, denn die Angst fängt an, mich zu zerreißen.
    Wenn ich mich, so weit es geht, auf die Seite rolle, kann ich mit der rechten Hand unter das Bett greifen. Ich muss ganz schön arbeiten, um meinen Körper in diese Position zu bringen. Die Manschetten geben mir mehr Spielraum, als ich gedacht habe. Ich wuchte meinen Körper immer weiter auf die Seite, stoße meinen Arm so weit wie möglich durch den Ring dieser verdammten Manschette, Zentimeter um Zentimeter erobernd, bis ich, und das Bett kippt bereits, unter dem Bett einen Lattenrost aus Metall greifen kann. Räder sind unter den vier Beinen des Bettes, die kann ich sehen mit verdrehten Augen, wenn ich meinen langen, verdrehten Hals mit meinem Kopf hinunterwuchte, dort sind die Bremsen festgestellt, an den Rädern. Ich drehe und wende mich und beuge mich aus dem Bett heraus, so weit es geht, und die Manschette auf der anderen Seite und die an meinen nackten Beinen zerreißen mir fast die Haut.
    Und ich greife das Metall des Lattenrostes. Und dann beginne ich, mit dem verdammten Bett zu reiten. Ich werfe
meinen Körper hin und her, links, rechts und nach vorn, und das Bett bewegt sich. Bamm, bamm, bamm! Es springt ein paar Zentimeter Richtung Tür. Bamm, bamm, bamm! Und ein paar Zentimeter Richtung Fenster. Ich bäume mich auf, habe das Gefühl, mein Körper schnellt auf die Neonröhren an der Decke zu, eine flackert, das macht mich krank, Mister Magister, wie gut, dass dieser Mann keinen ausgebauten Keller hatte, über meiner Bar im Schlafzimmer, heeme, hängen zwei Bilder, die leuchten nachts, Öl, phosphoreszierend, der englische Künstler Liam Scully hat die gemalt, um zwei kleine, auf die Leinwand geklebte Zeitungsartikel herum,
The Sex
und
The Beast
, das sind der Fritzl und die Kampusch (sie mit einem Tuch vor dem Mund), die sehe ich, wenn ich einschlafe und wenn ich aufwache, und in manchen Nächten grinsen sie ganz besonders hell, und jetzt zerre ich, mich immer noch halb aufbäumend, frag mich keiner, wie ich das gemacht habe, diesen Lattenrost raus, Stück für Stück, Zentimeter um Zentimeter.
    Bamm! Und da liegt er auf den weißen Fliesen. Und ich frage mich, ob das Bett, auf dem ich festgeschnallt bin, wirklich so klein ist wie dieses Eisengestänge auf dem Boden. Und dann bäume ich mich wieder auf, bamm, bamm, bamm!, reite ein paar Zentimeter, Dezimeter, werfe mich zur Seite und kippe, ich und das Bett, kann mich irgendwie abstützen, greife dieses Gitter mit der anderen Hand, so viel Spielraum lässt mir diese verdammte Fessel jetzt, und brauche sehr lange in diesem Raum, bis ich einhändig, und so ist meine Erinnerung und so wird sie auch bleiben, bis ich dieses sperrige Teil auf meine Brust gewuchtet habe. Nachgreifen, immer wieder nachgreifen.
    Der Lattenrost liegt kühl auf meiner

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