Gewitter über Pluto: Roman
finanziere.«
»Wenn Sie es als Schnapsidee auffassen, dann bin ich hier falsch«,
sagte Lorenz und verzog sein Gesicht zur Grimasse kleiner Buben, denen man die
Besteigung einer Kletterwand verwehrt. Er war im Begriff, sich zu erheben.
»Bleiben Sie«, befahl Montbard in jenem milden Ton, der gut geeignet
war, durch Stahlplatten zu dringen. »Sie werden sich, wenn Sie diese Sache
wirklich ernst meinen, noch einigen Spott anhören müssen. Wäre also besser,
sich ein dickes Fell zuzulegen.â
Möchten Sie etwas trinken?«
»Kaffee bitte.«
Claire drehte den Kopf ein wenig rückwärts und rief nach zwei Tassen
Kaffee. Nicht, daà man jemanden sehen konnte. Aber wie gesagt, ihre Stimme
querte selbst dichteste Materialien. Ãberhaupt könnte man sagten, daà Claire
Montbard â eingedenk des Rühmann-Films â eine Frau war, die durch Wände ging.
Sie sagte: »Ich könnte in den Verdacht geraten, ein biÃchen irre
geworden zu sein, wenn ich ein solches Projekt fördere.«
»Ich will nicht unhöflich sein«, entgegnete Lorenz, »doch es geht
mir nicht um Förderung. Was ich benötige, ist weniger Ihr Verständnis als Ihr
Geld.«
»Bei mir läuft das aufs gleiche hinaus«, erklärte Montbard. »Wenn
ich Geld herborge, dann nicht, um noch mehr Unsinn in diese Welt zu tragen.«
»Wie ich hörte, beteiligen Sie sich an Waffengeschäften.«
»Wenn Sie ein Problem damit haben«, meinte Montbard, »weià ich
nicht, wieso Sie ausgerechnet zu mir kommen.«
»Kein Problem. Ich frage mich nurâ¦Â«
»Waffen sind eine gute Sache. Sie bringen das nötige Leid in die
Welt, auf daà diese Welt sich ändert. Während zum Beispiel Drogen ein Leid
erzeugen, das gar nichts ändert.«
Das war eine Position, die Lorenz in keiner Weise unterschrieben
hätte. Aber Montbard hatte mit solcher Bestimmtheit gesprochen⦠Und er war ja nicht hier, um über den
weltweiten Waffenhandel zu diskutieren. Zudem kam gerade der Kaffee, serviert
von demselben dünnen Mann, der Lorenz hereingelassen hatte. Nicht nur ein
dünner, auch ein steifer Mann. Jedoch frei vom Stil der Lakaien. Seine
Steifheit schien echt, wie von einem Rückenschmerz verursacht oder einer Gicht.
Er stellte die Tassen ab, richtete sich vorsichtig wieder auf, blickte ein paar
Sekunden lang versonnen in den Garten hinaus â als spähe ein Fisch hinüber ans
Landâ und begab sich zurück in das
Innere des Hauses, wo alte und neue Möbel, Wertvolles und Wertloses
nebeneinanderstanden, so, als wäre über die Artefakte verschiedenster Herkunft
mit einem Mal eine klassenlose Gesellschaft hereingebrochen, alle überraschend,
alle auf dem falschen Bein erwischend. Darum insgesamt der Eindruck des
Schiefen.
»Ihr Diener?« fragte Lorenz.
»Mein Bruder.«
»Sie lassen sich von Ihrem Bruder bedienen?«
»Warum nicht? Sie doch auch.«
»Aberâ¦er ist ja nicht mein Bruder«, stellte Lorenz fest.
»Na und? Wäre er Ihr Bruder, was dann?« fragte Montbard. »Würden Sie
ihn auf die StraÃe setzen? Würden Sie ihn wieder in die Schule schicken? Einen
fünfzigjährigen Mann? Und wie ich schon sagte, er ist kein Diener, der Kaffee
serviert, sondern mein Bruder, der Kaffee serviert. Ich halte es für sehr viel
korrekter, sich von einem Familienmitglied bedienen zu lassen als von
irgendeiner wildfremden Person, die ich dafür bezahle, als würde ich ein paar
Stunden Sex abgelten.«
»Soll das heiÃen, Ihr Bruder arbeitet umsonst hier?«
»Klar. Wofür sollte ich ihn denn bezahlen? Dafür, Kaffee zu kochen
und ihn in zwei Schalen auf den Tisch zu stellen?«
»Er hat mir die Tür geöffnet.«
»Ich denke nicht, daà er sich dabei ein Bein gebrochen hat. Er wohnt
in diesem Haus, und zwar umsonst. Er muà für nichts aufkommen. Er muà keinen
einzigen Groschen beitragen. Er kocht, wäscht, er öffnet Türen, trägt Tassen
mit Kaffee. Und muà sich im übrigen um nichts kümmern. Er ist unbelastet von
der Welt. Die Welt endet für ihn beim Supermarkt drei StraÃen weiter. Ich
finde, daà er ein beneidenswertes Leben führt.«
Es war ganz bezeichnend für Claire Montbard, daà sie mit ihrer
Argumentation in keiner Weise in Richtung Emanzipation steuerte, also etwa
darauf verwies, daà pflegende, kochende, Kaffee
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