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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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servierende, Türen öffnende,
später dann die Hintern ihrer Lieben auswischende Schwestern und Töchter –
allesamt unbezahlt – früher die Regel gewesen waren, eine selten hinterfragte
Regel. Und so war es ja im Grunde noch immer, bloß daß das Element der
Hinterfragung dazugekommen war, die neckische Alice-Schwarzer-Pose der
Gesellschaft. Doch um all das schien sich Claire Montbard nicht zu kümmern. Sie
war keine Rächerin, hatte nicht etwa Spaß daran, Männer zu erniedrigen. Was sie
tat, tat sie unter dem Primat der Selbstverständlichkeit. Da war nichts, was sie
ideologisch hätte rechtfertigen müssen. Ganz klar: Wäre ihr Bruder eine
Schwester gewesen, wäre die Sache genauso abgelaufen.
    Â»Na, immerhin muß er nicht im Garten arbeiten.«
    Â»Stimmt. Das ist der Job meiner Mutter.«
    Â»Ihrer Mutter?« wunderte sich Lorenz und blickte hinüber zu der vor
dem Blumenbeet knienden, ausgesprochen maskulin anmutenden Gestalt. Nicht nur
wegen des Holzfällerhemds, der kurzen, silbergrauen Haare und der bulligen
Gestalt. Die ganze Haltung war die eines Mannes. – Wenn Männer graben, dann hat
das immer etwas Verzweifeltes. Als würde es ihnen nicht reichen, eine Zwiebel
einzusetzen. Als würden sie die Arbeit am Blumenbeet bloß als Vorwand nehmen,
einen ganz bestimmten Knochen auszubuddeln, ein Missing link. Was wiederum
nichts mit dem vielbeschworenen Forschergeist der Männer zu tun hat. Sie sind
gar nicht die geborenen Entdecker, für die sie sich halten und auch von den
Frauen gehalten werden. Ihre Suche gilt nicht einer unentdeckten Sache, sondern
einer verlorenen. Etwas in der Art einer Murmel oder eines kleinen verbogenen
Plastikspielzeugs. So gesehen, steht Orson Welles’ Citizen
Kane zu Recht an der Spitze unseres filmischen Bewußtseins, weil dieses
Opus einen Mann zeigt, dessen ganzer viriler Wahnsinn, dessen grandioses
Gorillagebrüll allein mit dem Verlust und der Unauffindbarkeit eines
Kinderschlittens zusammenhängt. Und es wäre keineswegs als ein Witz zu verstehen,
wenn jemand die Forderung aufstellen würde, den Männern ihre Schlitten
zurückzugeben. Auf daß sie nicht weiter wie wild die Erde umpflügen müssen und
solcherart die Welt in eine katastrophale Unordnung stürzen.
    Â»Meine Mutter«, erklärte Claire Montbard, »muß auch etwas tun. Die
Gärtnerei paßt zu ihr. Sie hat ein gutes Händchen für Pflanzen. Wenn sie schon
kein gutes Händchen für Männer hat.«
    Â»Männer wie Ihren Vater?«
    Â»Sie nehmen sich ein bißchen viel heraus«, meinte Montbard, ohne daß
sie aber wirklich verärgert wirkte.
    Â»Tut mir leid.«
    Â»Mein Vater ist indiskutabel. Jeder Mann, mit dem meine Mutter sich
eingelassen hat, war das. Weshalb man sich also fragen muß, ob nicht meine
Mutter Schuld trägt. So wie es in der Physik heißt, etwas könnte nur dann bestehen,
wenn es beobachtet wird. Hätte sich meine Mutter nicht immer für gräßliche
Männer interessiert, hätten diese Männer niemals existiert, zumindest nicht in
dieser gräßlichen Weise.«
    Â»Würden Sie mir kein Geld leihen«, folgerte Lorenz, »dann wäre ich gar
nicht hier.«
    Â»Nicht dumm von Ihnen. Welche Summe, Herr Mohn, schwebt Ihnen denn
vor?«
    Ja, welche Summe? Absurderweise hatte sich Lorenz noch nicht den
geringsten Gedanken darüber gemacht, wieviel Kapital er benötigen würde, um
seinen Laden anzumieten, einzurichten und die erforderliche Ware zu besorgen.
An eine Hilfskraft dachte er nicht. Vielleicht ein wenig Werbung, kleine
Annoncen, andererseits war er überzeugt, daß ein Laden, der den schönen Namen Plutos Liebe trug und über dessen Betreiber gloriolenartig
das Gerücht schweben würde, er habe sich einzig und allein zur Gründung dieses
Geschäfts aus der Pornographie zurückgezogen, daß es einem solchen Laden nicht
an der nötigen Mundpropaganda fehlen würde. Nicht, daß Lorenz das leidige
Sexthema am Köcheln halten wollte, dennoch glaubte er, daß die
Pornographievergangenheit sich als Vorteil herausstellen könnte, als
Anziehungspunkt. Freilich nicht in der Hinsicht, eine Frau fürs Leben zu
finden. Doch das wollte er ohnedies nicht mehr. Wenn er diesen Laden einmal
besaß, dann würde er sich von seiner Frau-fürs-Leben-Phantasie endgültig
verabschieden. Plutos Liebe statt

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