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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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erste Zahl, die ich schreiben konnte. Man mag gar nicht damit aufhören.
Sie kennen das doch sicher, man fährt die zwei Linien entlang, immer wieder… Sie sehen, die Zahl hat nicht die
geringste mystische oder strategische Bedeutung. Sie entspringt einer puren
Laune, einer hübschen Kindheitserinnerung.«
    (Ein kenntnisreicher Beobachter hätte dies allerdings sehr in
Zweifel ziehen müssen, und zwar in Anbetracht des Nix-NyxCharon-Pluto-Zusammenhangs.
Denn der Tag, den man gerade schrieb, war der 14. Juli 2008. Gemäß den
Planungen der NASA würde genau an einem solchen 14. Juli, und zwar in sieben
Jahren, die Sonde New Horizons den Zwergplaneten
Pluto erreichen. Das war erneut ein Hinweis, wie sehr sich Lorenz Mohn in einem
Gespinst des Gewollten befand, gleich, ob dieses Gewollte über einen Sinn
verfügte oder ob es sich der reinen Lust des Spinnens und alles Gesponnenen
hingab.)
    Doch Lorenz glaubte die Sache mit der Sieben. Er konnte sich
ebenfalls gut daran erinnern, daß dies die erste Zahl gewesen war, die er mit
einiger Lust und einigem Geschick zu Papier gebracht hatte, während Ziffern wie
die Vier und die Acht eher den Charakter graphischer Zungenbrecher besessen
hatten.
    Wenn man nun um den Hinweis auf die Pluto-Mission mit Zieltag 14.
Juli 2015 nicht wußte, dann waren sieben Jahre ein
vernünftiger Zeitraum, um einen überschaubaren Betrag zusammenzutragen und
termingerecht zurückzuerstatten. Einen Betrag, der sich in diesen sieben Jahren
nicht erhöhen würde. Hingegen machte Lorenz die Vorstellung nervös, sich für
den Fall seiner Säumigkeit zu einer nicht näher benannten Lebensrettung zu
verpflichten. Das konnte eine Menge bedeuten. Er fragte: »Wir vereinbaren das
doch schriftlich, oder?«
    Â»Was würde das nützen?« fragte Montbard zurück. »Ich könnte Sie mit
so einem Wisch kaum dazu zwingen, jemandem das Leben zu retten.«
    Â»Und ohne Wisch?«
    Â»Ja, ohne Wisch kann ich das.«
    Â»Das muß ich Ihnen wohl glauben.«
    Â»Das sollten Sie.«
    Â»Es geht doch hoffentlich nicht darum«, blieb Lorenz lästig, »irgend
jemandem ein Organ zu spenden? Oder gleich meinen ganzen Körper?«
    Â»Ich mag es nicht, wenn man mich löchert«, sagte Montbard. »Aber
wenn es Sie beruhigt, Ihre Organe können Sie behalten. – Und jetzt ist Schluß!
Sagen Sie zu, oder lassen Sie es bleiben. Und entscheiden Sie sich jetzt . Mehr Zeit habe ich nicht für Sie.«
    Â»Zwei Minuten. Seien Sie so gut!« bat Lorenz. »Bis ich den Kaffee
ausgetrunken habe.«
    Montbard nickte, gleichzeitig erhob sie sich und bewegte sich auf
ihren hohen, dünnen Absätzen die Veranda nach unten. Sie balancierte über die
Wiese hinüber zu dem Blumenbeet und blieb aufrecht neben ihrer gärtnernden
Mutter stehen.
    Lorenz war alleine. Er dachte nach. So in der Art, wie wenn man
seine Zähne in ein hartes, vollkommen undurchbeißbares Brot schlägt. Es war
unmöglich, irgendein Für und Wider zu berücksichtigen, die diversen Für und
Wider trieben ineinander und bildeten eine krallenartige Versteinerung. Das
einzige, was deutlich vor Augen lag, waren der Vorteil der Zinsfreiheit sowie
die saubere Möglichkeit, das Geld in sieben Jahren und auf den Tag genau
zurückzuzahlen.
    Tag genau? Welcher Tag eigentlich?
    Lorenz war nicht gerade ein Mann, der über Zeit und Daten einen
guten Überblick besaß. Er war oft gezwungen, eine Tageszeitung zur Hand zu
nehmen, wollte er sich des genauen Datums vergewissern. Eine Tageszeitung aber
fehlte hier. Nun, darauf kam es jetzt nicht an, welcher Tag heute war. Darauf
kam es erst in sieben Jahren an. Es würde reichen, sich am Abend darum zu
kümmern, den wievielten man schrieb.
    Lorenz führte die Schale an den Mund und trank. Der Kaffee schmeckte
ein wenig bitter, nicht unbedingt vergiftet, dennoch merkwürdig. Wie Kaffee aus
der Zukunft. Was man übrigens einmal bedenken sollte, bezüglich Zeitreisen. Wir
warten ja immer, daß jemand aus der Zukunft zu uns kommt. Was aber, wenn es
einfach zu schwierig ist, ganze Menschen durch die Zeit zu schicken, sehr wohl
hingegen eine Katze, einen Bleistift oder eben eine Tasse Kaffee? Sieht man
einer Katze an, ob sie aus der Zukunft stammt? Vielleicht am Blick. Manche
Katzen funkeln einen an, als hätten sie schon mit Dingen zu tun gehabt, von
denen unsereins nicht mal zu träumen wagt.

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