Gewitterstille - Kriminalroman
wieder hinfiel, aufstand und es von Neuem versuchte.
»Nanu«, sagte Petra Kessler und deutete auf den Korb vor dem Kamin. »Wo ist das Papier? Womit soll ich denn ein Feuer machen?«
»Was für Papier?« Sophie bemühte sich, gleichgültig zu klingen. »Entschuldigung, aber wir müssen jetzt wirklich gehen. Komm, Emily, komm her, wir wollen zur Mama.«
Petra Kessler begann ein paar Scheite Holz in den Kamin zu werfen und griff nach dem Kaminbesteck.
Sophie tastete in ihrer Tasche unauffällig nach ihrem Handy, fand es dort aber nicht. »Wären Sie so nett und würden Anna anrufen und sagen, dass wir jetzt wieder nach drüben wollen? Sie wird uns sicher schon vermissen.«
»Wird sie das?« Petra ging in Richtung Terrasse und schloss die Tür. »Es wird gleich ein fürchterliches Gewitter geben«, sagte sie, bevor sie auch die Vorhänge zuzog und sich nun langsam Sophie näherte.
»Ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie kurz nebenan anrufen könnten«, wiederholte Sophie mit matter Stimme.
»Das denke ich mir«, sagte Petra Kessler betont ruhig und baute sich vor Sophie auf. Das Lied der Spieluhr wurde immer langsamer und war schließlich kaum mehr als ein Leiern.
»Ich möchte nur vorher etwas haben, was mir gehört. Wo ist es?« Sie sah Sophie scharf an, und ihre Lippen bebten leicht. »Ich mag es überhaupt nicht, wenn man in meinen Sachen herumschnüffelt.«
»Was denn für Sachen?« Sophie wich mit dem Rollstuhl ein Stück zurück. »Ach, Sie meinen die Unordnung, die Emily mit den Tischdecken angerichtet hat? Das räume ich wieder auf.«
»Nicht nötig.« Petra Kesslers Stimme klang bedrohlich.
Sie beugte sich zu Sophie hinunter, sodass ihre Nasen sich fast berührten. Sophie roch ihr süßliches Parfüm und registrierte die kleinen Schweißperlen, die sich auf Petra Kesslers Stirn sammelten. Auch ihr war schrecklich heiß.
»Wo ist der Stapel Papier?« Petra Kessler deutete mit dem Schürhaken, den sie in der Hand hielt, zu dem leeren Korb.
»Papier? Ach, das alte Papier«, stotterte Sophie. »Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Makler es draußen in die Tonne geworfen.«
»So, hat er das?«, zischte Petra, und ihre Augen zogen sich zu kleinen Schlitzen zusammen. Gleichzeitig griff sie hinter Sophies Rücken, zog mit einem Ruck einige der Papiere hervor und hielt sie ihr demonstrativ unter die Nase.
»Das gehört mir«, presste sie zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor. »Verstehst du? Mir!« Sie schob Sophies Rücken unsanft nach vorn und forschte nach weiteren Papieren, die sie endlich unter Sophies Po hervorzog. Sie raffte alles zusammen, stieß sich am Griff von Sophies Rollstuhl ab und ging zurück zum Kamin. Dort machte sich Emily inzwischen an den Holzscheiten zu schaffen. Petra Kessler griff nach dem Anzünder, steckte ein Schriftstück in Brand und warf es in den Kamin. Dabei streifte sie fast Emilys Kopf.
»Seien Sie vorsichtig mit Emily«, schrie Sophie. »Sie verbrennt sich doch.« Petra Kessler erwiderte nichts, sie blickte nur versonnen auf die kleine, züngelnde Flamme, die die Holzscheite allerdings nicht zu entzünden vermochte, sondern träge in der Asche des Papiers erstickte. Emily klatschte begeistert in die Hände, als Petra einen weiteren Brief zur Hand nahm und auch diesen anzündete.
»Das können Sie nicht machen«, rief Sophie wütend. »Und es wird Ihnen auch nichts nützen. Ich habe das alles gelesen, und ich weiß, dass Sie Ihren Mann und Ihre Mutter umgebracht haben.«
Petra Kessler zuckte zusammen. »Weshalb sollte ich das tun? Das ist doch absurd.«
»Weil Ihr Mann Sie verlassen hat und in die Klapsmühle bringen wollte«, schrie Sophie.
»Das sind Hirngespinste eines verliebten Teenagers. Wer sollte dir diesen Blödsinn schon glauben.« Sie ließ ein weite res Stück Papier in den Kamin gleiten. »Ich hätte das längst tun sollen. Wenn nur diese furchtbare Hitze nicht wäre.«
»Hören Sie auf damit!« Sophie war so wütend, dass sie jede Vernunft vergaß. Sie wollte Jens retten – um jeden Preis. Sie rollte auf Petra Kessler zu und versuchte, ihr den Anzünder aus der Hand zu reißen.
»Du neugieriges kleines Luder«, herrschte die Sophie an. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Mach, dass du hier verschwindest mit deinen dummen Fantasien.«
»Fantasien? Sie glauben vielleicht, dass Sie ungeschoren davonkommen, aber das werden Sie nicht. Die sind Ihnen längst auf der Spur. Anna war heute in Ihrem Haus in Berlin und hat mit Ihrer
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