Gewitterstille - Kriminalroman
Unsicherheit des Maklers am anderen Ende der Leitung deutlich spüren.
»Na, die junge Frau im Rollstuhl!? Sie haben doch mit ihr gesprochen, oder? Es tut mir leid, wenn …«
Petra musste einige tiefe Atemzüge nehmen, um ihre Unruhe zu unterdrücken. Was, zum Teufel, suchte die Göre in ihrem Haus? Auf der anderen Seite: Was sollte schon sein? Das Mädchen war nichts anderes als ein neugieriger, dummer Teenager.
»Natürlich«, sagte sie dann. »Das hatte ich fast vergessen. Sie hat den Schlüssel also mit rübergenommen, ja?«
»Das hatte sie jedenfalls vor. Sie wollte vorher nur noch das kleine Chaos beseitigen, das die Kleine angerichtet hat, die sie mitgebracht hatte.«
»Chaos, welches Chaos?«, fragte sie und rang sich ein Lachen ab, das allerdings ein wenig schrill geriet.
»Ach, ganz harmlos, nur ein paar Papierschnipsel. Das Kind hat mit dem Feuerholzkorb am Kamin gespielt. Nichts von Bedeutung …«
Petra legte auf, ohne sich zu verabschieden. Sie betätigte das Gaspedal und erhöhte das Tempo. Zehn Minuten, und sie wäre zu Hause. Zehn Minuten …!
45. Kapitel
A nna hatte ihren Wagen kaum gestartet, als sie be reits zu ihrem Handy griff und die Freisprechanlage einschaltete. Sie musste Bendt sofort erzählen, was sie im Haus der Kesslers in Erfahrung gebracht hatte.
»Hallo, Anna, schön, dass du anrufst, ich …«
»Weshalb betankt eine Frau am späten Abend – kurz nachdem ihr Mann gestorben ist – ihr Auto, und zwar auf einer Raststätte zwischen Berlin und Lübeck?« Annas Stimme überschlug sich fast.
»Wie bitte, wovon redest du?«
»Ben, ich glaube, Sophie hat recht. Vielleicht ist Asmus doch nicht der Mörder von Frau Möbius, sondern Petra Kessler.«
Anna war so aufgeregt, dass sie Mühe hatte, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Sie holte kaum Luft, während sie erzählte: »Ich habe in Petra Kesslers Haus in Berlin einen Tankbeleg oder vielmehr eine Kreditkartenabrechnung gefunden, die belegt, dass sie in der Nacht, in der ihre Mutter gestorben ist, um zwei Uhr für 113 Euro mittels Kreditkarte eine Tankrechnung bezahlt hat. Der Mann von Petra Kessler ist keine vierundzwanzig Stunden vor Luise Möbius gestorben. Weißt du, was das bedeutet? Er hat angeblich einen Kollaps erlitten, der durch eine Fleischvergiftung verursacht wurde. Ihre Haushälterin, bei der ich gerade war, sagt aber, dass das Fleisch, das sie für ihn vorbereitet hatte, völlig in Ordnung war. Bendt, es ist möglich, dass Petra Kessler ihren Mann vergiftet und …«
»Jetzt mal ganz langsam, damit ich auch mitkomme.« Bendts Stimme klang ungewohnt streng. »Verstehe ich das richtig, dass du gerade in Berlin warst und in unserem Mordfall ermittelt hast?«
»Was heißt ermitteln, nein … Ich war nur in Berlin, also, ich musste mit der Haushälterin von der Kessler sprechen, weil …«
Bendt polterte los, und Anna zuckte zusammen, als würde das angekündigte Unwetter schon jetzt auf ihren Wagen herabprasseln: »Verdammt, Anna, was bildest du dir eigentlich ein? Meinst du, du kannst einfach mal so losfahren und in einem Mordfall ermitteln? Hast du den Verstand verloren?«
»Also, nun beruhige dich mal!« Anna lenkte ihren Wagen auf die nächste Raststättenausfahrt und brachte ihn dort zum Stehen. Sie wollte sich auf das Telefonat konzentrieren. Dicke Gewitterwolken zogen sich bedrohlich am Himmel zusammen.
»Hast du jetzt ein Problem, weil ich in eure Zuständigkeiten eingreife? Nun sei doch bloß nicht so empfindlich, weil…«
»Zuständigkeiten? Empfindlich? Darum, denkst du, geht es hier?« Er klang so wütend, dass Anna in ihrem Autositz ein Stückchen nach unten rutschte. »Hast du denn überhaupt rein gar nichts verstanden? Anna, du musst ein für alle Mal aufhören, auf eigene Faust loszuschlagen. Stell dir vor, dir wäre etwas zugestoßen und …«
»Darum bist du also so sauer, weil du dir Sorgen gemacht hast«, sagte Anna kleinlaut. Gleichzeitig machte ihr Herz einen Sprung.
»Ja, verdammt, darum bin ich so sauer! Hier geht es nicht um Kompetenzen. Hier geht es darum, dass ich dich schon mal halb tot am Waldrand aufgesammelt habe, und das hat mir, wie du dich vielleicht erinnerst, gar nicht gefallen. Ich möchte deine Leiche nicht irgendwann aus einem gottverdammten Kellerloch oder aus der Ostsee fischen.«
»Klingt logisch für mich«, sagte Anna und biss sich auf die Lippe.
»Schön, dass du es immerhin einsiehst.« Bendt holte am anderen Ende der Leitung vernehmlich Luft. »Tu
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