Gezähmt von sanfter Hand
sichtbar. Der Merrick hinter ihnen war noch immer vollständig in seinen weißen Wintermantel eingehüllt, aber unterhalb der Schneegrenze begann sich die Erde bereits wieder zu regen. Erwärmte sich. Erwachte zu neuem Leben.
Während sie so schweigend nebeneinander in den sonnenklaren Morgen ritten, konnte Richard sich des Gefühls nicht erwehren, dass auch er eine lange, dunkle Phase überstanden hatte und jetzt wieder Licht und Sonne sah.
Nun nicht mehr zur Eile gezwungen, ritten sie in gemächlichem Tempo um den flachen Hügel herum, der das Gut vor ihren Blicken verbarg. Da sie gegen das Licht der jetzt als silbrige Scheibe am Himmel stehenden Sonne anblinzeln mussten, konnten sie die Gutsgebäude nicht sehen, wussten aber trotzdem, dass sie da waren.
»Brrrrr.«
Richard zügelte seinen Hengst und blinzelte ein paar Mal, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Vor ihnen standen zwei der jungen Ochsen des Tales, und diese waren in alles anderer als tadelloser Verfassung. Die Tiere glotzten Richard und Catriona einen flüchtigen Moment lang aus traurigen braunen Augen an, dann machten sie kehrt und trotteten langsam davon. Stirnrunzelnd blickte Richard ihnen nach.
Irgendwo musste er ja anfangen.
»Catriona …«
»Ich dachte nur gerade …«
Sie verstummte abrupt und blickte fragend zu ihm hinüber; Richard unterdrückte eine Grimasse und bedeutete Catriona mit einer Handbewegung, weiterzusprechen.
Die Hände über ihrem Sattelknauf gekreuzt, starrte sie gedankenverloren in Richtung der Gutsgebäude. »Ich habe mich nur gerade gefragt …« Sie hielt abermals inne, und er sah, wie sich ein angespannter Zug um ihre Lippen legte. »Wenn du hier bleibst, wirst du dann nicht die Bälle und Abendgesellschaften vermissen?« Sie warf Richard einen raschen Blick zu. »Hier bei uns gibt es nämlich keine solchen Vergnügungen, weißt du.«
»Dem Himmel – und Der Herrin, vermute ich mal – sei Dank dafür! Ich mache mir nämlich nicht das Geringste aus Bällen und Abendgesellschaften.« Richard zog nachdenklich die Brauen hoch, als er sich seine eben gemachte Bemerkung noch einmal durch den Kopf gehen ließ. »Tatsächlich mache ich mir schon seit Jahren nichts mehr daraus.« Er fing Catrionas fragenden – und definitiv skeptischen – Blick auf und verengte die Augen. »Und die betörend schönen Frauen, die man bei solchen Veranstaltungen trifft, sind mir auch völlig schnuppe!«
Sie sah ihm einen Moment lang forschend, prüfend in die Augen, dann formten sich ihre Lippen zu einem stummen »Oh«, bevor sie sich in den Winkeln – kaum merklich – nach oben verzogen.
Richard kämpfte gegen den plötzlichen Drang an, sie zu küssen. »Ich werde hier bleiben – und die Idee, dass es mir hier auf die Dauer zu langweilig werden könnte, kannst du getrost vergessen. Für mich gibt es hier reichlich Beschäftigung – was mich wieder auf diese Sache zurückbringt, über die ich mit dir sprechen wollte. Den Zuchtviehbestand.«
Catriona verzog das Gesicht und ließ ihre Stute dann langsam im Schritt weitergehen. »Ich habe bisher noch keine Bezugsquelle ausfindig machen können, die ich für geeignet halte. Mr. Potts wartet darauf - bestürmt mich regelrecht –, dass ich ihm endlich den Auftrag erteile, Tiere von seinem Kontaktmann in Montrose zu kaufen, aber ich weiß, dass das nicht das Richtige ist – nicht das, was das Tal braucht.«
Richard straffte die Schultern und holte tief Luft. »Ich habe einen Vorschlag.« Als Catriona sich abrupt im Sattel umdrehte und ihn ansah, hob er beschwichtigend eine Hand. »Ich weiß, ich habe hoch und heilig versprochen, mich nicht einzumischen – in die Art, wie du die Dinge handhabst, wie du die geschäftlichen Angelegenheiten des Tales verwaltest –, wenn du also lieber einen anderen Weg gehen willst …« Die Stirn in Falten gelegt, hielt er einen Moment inne, dann fing er Catrionas Blick auf und atmete abermals tief durch. »Die Wahrheit ist, dass deine Situation mit dem Viehbestand insgesamt möglichst bald einer gründlichen Überprüfung bedarf. Die Rinderherde ist der dringendste Fall – sie muss unverzüglich mit qualitativ hochwertigen Zuchttieren aufgestockt werden. Aber auch unter deinen Schafböcken und Mutterschafen müssten etliche Tiere ausgesondert werden, und die Milchkuhherde ist nur gerade eben noch im Stande, euren Bedarf zu decken. Abgesehen davon solltest du auch mal über eine Erweiterung der Palette nachdenken – Ziegen müssten hier
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