Gezeiten der Liebe
er vor ihr stand und sie ernst anblickte, vom letzten Tageslicht beschienen. »Du weißt ...«
»Noch nicht«, murmelte er und küßte sie diesmal auf die Lippen. »Da ist noch etwas. Willst du Kinder mit mir haben, Grace?«
Er sah, wie die Tränen, gegen die sie angekämpft hatte, überflossen. Wie hatte er jemals daran denken können, ihnen diese Freude, dieses Recht, diese Verheißung zu versagen?
»Schaffe neues Leben mit mir, ein Leben, das aus der Liebe entspringt und das ich in dir wachsen sehen kann. Nur ein Narr würde denken, daß etwas, das aus unserer Liebe entsteht, anders als wunderschön sein kann.«
Sie umfaßte sein Gesicht mit den Händen. »Bevor ich antworte, muß ich wissen, ob du all das wirklich willst, nicht nur meinetwegen, sondern deinetwegen.«
»Ich will eine Familie. Ich will aufbauen, was meine Eltern aufgebaut haben, und das kann ich nur mit dir.«
Sie lächelte. »Ja, ich will dich heiraten, Ethan. Ich gebe dir meine Tochter. Ich will Kinder mit dir haben. Und wir werden beide aufeinander aufpassen.«
Er zog sie eng an sich, nur um sie zu halten, während die Sonne versank und der Abend hereinbrach. Ihr Herz schlug schnell und leicht an seinem, und ihr Seufzer verhallte Sekunden bevor der Ziegenmelker in dem Pflaumenbaum nebenan sein Lied anstimmte.
»Ich hatte schon befürchtet, daß du mir nicht verzeihen würdest.«
»Ich auch.«
»Dann dachte ich, ach, Unsinn, sie liebt mich so sehr. Ich kriege sie schon rum.« Er lachte und bedeckte ihren Nacken mit zärtlichen Küssen. »Du bist nicht die einzige, die hier nach jemandem den Haken auswerfen kann.«
»Du hast lange genug gebraucht, um den Köder zu schlucken.«
»Wenn man Geduld hat, kriegt man am Schluß immer das Sahnestück.« Er barg sein Gesicht in ihrem Haar, um ihren Duft wahrzunehmen und ihre Haut zu spüren. »Und ich habe das Sahnestück bekommen. Oder besser – gutes, solides Steingut.«
Lachend beugte sie sich nach hinten, um ihm in die Augen zu sehen. Sein Spott richtete sich gegen sie beide. »Du bist ein kluger Mann, Ethan.«
»Vor ein paar Stunden hast du noch gesagt, ich wäre dumm.«
»Da warst du es ja auch noch.« Sie drückte einen geräuschvollen Kuß auf seine Wange. »Jetzt bist du klug.«
»Du hast mir gefehlt, Grace.«
Sie schloß die Augen und hielt ihn fest. Dabei dachte sie, daß dies ein Tag der Vergebung war. Der Hoffnung. Des Neubeginns. »Du hast mir auch gefehlt, Ethan.« Sie seufzte, dann schnupperte sie verblüfft. »Erdnüsse«, sagte sie und schmiegte sich an ihn. »Komisch. Ich könnte schwören, daß ich Erdnüsse rieche.«
»Ich werd’s dir erklären.« Er hob ihr Gesicht, um sie zärtlich zu küssen. »Gleich.«
Aus Furcht, daß ihn innerlich zerreißen würde, wenn er noch länger in diese verletzten und erstaunten Augen sah, wandte er sich ab. Seine Finger krampften sich um das Steuerrad. »Wir müssen einlaufen.«
»Was?« Sie fuhr zurück, starrte in sein versteinertes Gesicht, auf den Muskel, der an seinem Kinn zuckte. Ihr Herz klopfte immer noch schneller, aber nicht aus Erwartung. Jetzt emfpand sie nur noch Angst. »Du hast mir nichts anderes zu sagen, als daß wir einlaufen müssen?«
»Ich habe dir vieles zu sagen, Grace.« Seine stimme klang so beherrscht, wie sein Herz außer Kontrolle geraten war. »Wir müssen umkehren, damit ich es tun kann.«
Sie wollte ihn anschreien, daß er es jetzt gleich sagen müsse. Aber sie nickte nur. »Also gut, Ethan. Kehren wir um.«
Die Sonne war verschwunden, als sie anlegten. Grillen stimmten ihren nächtlichen Chor an und erfüllten die Luft mit ihrer schrillen, zu munteren Musik. Über ihnen blinkten ein paar Sterne hinter dem Dunstschleier, und der Dreiviertelmond schimmerte.
Die Luft hatte sich schnell abgekühlt, aber sie wußte, daß sie nicht deshalb fror. Denn sie fror sehr.
Er sicherte selbst die Leinen, schweigend. So wie er schweigend zum Hafen zurückgefahren war. Dann stieg er wieder auf das Boot und setzte sich ihr gegenüber. Der Mond stand noch tief am Himmel, knapp oberhalb der Wipfel der Bäume, aber die frühen Sterne gaben genug Licht, daß sie sein Gesicht sehen konnte.
Keine Spur von Freude.
»Ich kann dich nicht heiraten, Grace.« Er sprach behutsam, da er wußte, daß er sie verletzen würde. »Es tut mir leid. Ich kann dir nicht geben, was du dir wünschst.«
Sie preßte die Hände aufeinander und wußte nicht, ob sie sie zu Fäusten ballen und auf ihn einhämmern, oder
sie schlaff
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