Gezeiten der Liebe
Anne anlangten. Das Restaurant, das er ausgewählt hatte, befand sich in einem der alten, renovierten Häuser mit den hohen Decken und den länglichen, schmalen Fenstern. Auf
den mit weißem Leinen gedeckten Tischen standen Kerzen zum Anzünden bereit, und die Kellner trugen Jacketts und schwarze Krawatten. Die anderen Gäste unterhielten sich gedämpft wie in der Kirche. Als sie zu ihrem Tisch geführt wurden, konnte sie das Klicken ihrer Absätze auf dem polierten Fußboden hören.
Sie wollte sich jedes einzelne Detail einprägen. Den kleinen Tisch, der in einer Nische direkt am Fenster stand, das Gemälde mit Motiven der Bucht, das hinter Ethan an der Wand hing. Das freundliche Augenzwinkern des Kellners, als er ihnen die Speisekarte brachte und fragte, ob sie einen Apéritif wünschten.
Aber vor allem wollte sie sich Ethan einprägen. Das stille Lächeln in seinen Augen, als er sie über den Tisch hinweg ansah, und wie seine Finger auf dem weißen Leinen immer wieder über die ihren strichen.
»Möchtest du Wein?« fragte er sie.
Wein, Kerzen, Blumen. »Ja, gern.«
Er schlug die Weinkarte auf und studierte sie eingehend. Er wußte, daß sie Weißwein bevorzugte, und ein, zwei Namen kamen ihm bekannt vor. Phillip hatte zu Hause stets mindestens zwei Flaschen Wein kaltgestellt. Ihm persönlich war schleierhaft, warum ein vernünftiger Mensch regelmäßig soviel Geld für alkoholische Getränke bezahlte.
Erleichtert, weil die einzelnen Gerichte numeriert waren und er deshalb nicht versuchen mußte, französisch zu sprechen, gab er beim Kellner die Bestellung auf. Er freute sich, als er sah, daß seine Wahl Grace’ Beifall fand.
»Hunger?«
»Ein bißchen.« Sie fragte sich, ob sie vor Aufregung überhaupt einen Bissen hinunterbekommen würde. »Es ist einfach so schön, hier zu sein – mit dir.«
»Ich hätte schon eher mal mit dir ausgehen sollen.«
»Wir hatten bisher doch kaum Zeit für so etwas.«
»Wir müssen uns mehr Zeit schaffen.« Es war gar nicht
so schlimm, eine Krawatte zu tragen und umgeben von anderen Leuten in einem Lokal zu essen, dachte er. Nicht, wenn er sie dabei ansehen konnte, wenn sie ihm gegenüber saß. »Du siehst ausgeruht aus, Grace.«
»Ausgeruht?« Das Lachen sprudelte aus ihr heraus, so daß er sie unsicher anlächelte. Dann drückte sie zärtlich seine Finger. »Oh, Ethan. Ich liebe dich so sehr.«
Die Sonne sank tiefer am Himmel. Im Kerzenschein tranken sie ihren Wein und genossen das ausgezeichnete Essen, das der Kellner ihnen mit vollendeten Manieren servierte. Ethan erzählte von den Fortschritten, die sie mit dem Boot machten, und von dem neuen Vertrag, den Phillip unter Dach und Fach gebracht hatte.
»Wie schön. Kaum zu glauben, daß ihr das Geschäft gerade erst im Frühjahr aus der Taufe gehoben habt.«
»Geplant hatte ich es ja schon länger«, sagte er. »Das meiste hatte ich schon im Kopf ausgearbeitet.«
Wie nicht anders zu erwarten war, dachte sie. Dinge gründlich zu durchdenken, gehörte zu Ethans Charakter. »Aber jetzt erfüllt ihr die Idee mit Leben. Ich wollte schon mindestens zehnmal vorbeikommen, um mir die Werkstatt anzusehen.«
»Warum hast du’s nicht getan?«
»Früher ... nun, wenn ich dir zu oft begegnete, war ich unsicher.« Es tat gut, mit ihm darüber zu sprechen, zu sehen, wie sich dabei seine Augen veränderten. »Ich dachte immer, du kannst sehen, was ich für dich empfinde – wie gern ich dich berühren wollte und wie sehr ich mir wünschte, daß du mich berührst.«
Das Blut pochte in seinen Fingerspitzen, als er ihre Finger streichelte. Und sein Blick veränderte sich tatsächlich, so, wie sie es sich gewünscht hatte – er schaute ihr tief in die Augen. »Ich hatte mir verboten, von dir zu träumen«, sagte er behutsam.
»Wie froh ich bin, daß du es nicht wirklich durchhalten konntest.«
»Ich auch.« Er führte ihre Hand an die Lippen und küßte sie. »Vielleicht kommst du demnächst ja mal in die Bootswerkstatt und ich schaue dich an und weiß Bescheid.«
Sie legte den Kopf auf die Seite. »Vielleicht tue ich das.«
»Du könntest eines heißen Nachmittags vorbeikommen und ...«
Sein Daumen strich langsam über ihre Fingerknöchel. »Und Brathähnchen mitbringen.«
Sie prustete los. »Ich hätte wissen müssen, daß es das ist, was dich zu mir hinzieht.«
»Ja, es hat den Ausschlag gegeben. Ein hübsches Gesicht, die Augen einer Meeresgöttin, lange Beine, ein herzliches Lachen – solche Dinge
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