Gezeiten der Liebe
nur ein Mensch. Und die Art, wie sie sich verführerisch mit der Zunge über die Lippen fuhr,
hätte jeden Mann kirre gemacht. Nicht, daß er Interesse an ihr hatte, keine Spur, aber es war lange her, seit eine Frau unter ihm gestöhnt hatte. Und irgendwie hatte er das untrügliche Gefühl, daß Linda stöhnen würde wie eine Weltmeisterin.
»Maximale Punktzahl.« Seth ließ sich auf die Bank fallen, mit triumphierend gerötetem Gesicht, und griff nach seinem Becher. Gierig stürzte er einen großen Schluck Cola hinunter. »Mann, wann kommt denn endlich die Pizza? Ich bin total ausgehungert.«
Ethan spürte, wie sein Kreislauf sich wieder stabilisierte, und seufzte beinahe erleichtert auf. »Dauert nicht mehr lange.«
»Tja.« Trotz ihres Ärgers über die Unterbrechung schenkte Linda dem Jungen ein strahlendes Lächeln. »Das muß der Neuzugang sein. Wie heißt du, Kleiner? Ich hab’s leider vergessen.«
»Ich heiße Seth.« Er schätzte sie blitzschnell ab. Aha, Sorte blöde Tussi, lautete sein abschließendes Urteil. Trotz seiner zehn Jahre hatte er schon viele Frauen wie sie gesehen. »Und wer sind Sie?«
»Ich bin Linda, eine alte Freundin von Ethan. Meinem Daddy gehört das Lokal hier.«
»Cool, dann können Sie ihm ja vielleicht bestellen, er soll der Pizza mal ein bißchen Dampf machen, bevor wir hier noch an Altersschwäche eingehen.«
»Seth ...« Der mahnende Tonfall und Ethans Blick reichten, um den Jungen verstummen zu lassen. »Dein Daddy serviert immer noch die beste Pizza in der Gegend«, sagte Ethan und lächelte ein wenig ungezwungener. »Sag ihm das von mir.«
»Ist gut. Und du rufst mich mal an, Ethan?« Sie schwenkte die linke Hand. »Ich bin jetzt ja eine freie Frau.« Dann schlenderte sie davon, und ihre Hüften schwankten hin und her wie ein gut geöltes Metronom.
»Sie riecht wie dieses Geschäft im Einkaufszentrum, wo das ganze Zeugs für Mädchen verkauft wird.« Seth rümpfte die Nase. Er mochte sie nicht, weil er einen Schatten seiner Mutter in ihren Augen wahrgenommen hatte. »Sie will dir bloß an die Hose.«
»Halt die Klappe, Seth.«
»Es stimmt doch«, sagte Seth achselzuckend, ließ das Thema jedoch bereitwillig fallen, als Linda mit der Pizza zurückkam.
»Dann guten Appetit«, säuselte sie und beugte sich eine Spur tiefer hinunter als nötig war, falls Ethan die Aussicht beim erstenmal verpaßt hatte.
Seth nahm sich ein Stück Pizza und biß mutig hinein, obgleich er wußte, daß er sich den Gaumen verbrennen würde. Die verschiedenen Geschmacksnoten explodierten in seinem Mund, was ihn für das schmerzhafte Brennen vollauf entschädigte. »Grace macht eine erstklassige Pizza«, sagte er mit vollem Mund. »Schmeckt noch viel besser als die hier.«
Ethan ächzte nur. Der Gedanke an Grace erzeugte ihm Unbehagen, nachdem er sich gerade – wie widerstrebend und flüchtig auch immer – einer heißen Phantasieszene mit Linda Brewster hingegeben hatte.
»Vielleicht können wir sie ja überreden, mal eine für uns zu backen, wenn sie zum Saubermachen kommt und so. Sie kommt doch morgen, oder?«
»Ja.« Ethan nahm sich auch ein Stück, ziemlich gereizt, weil sein Appetit ihn plötzlich im Stich gelassen hatte. »Vermutlich.«
»Vielleicht backt sie eine für uns, bevor sie geht.«
»Du ißt doch heute abend schon Pizza.«
»Na und?« Seth vertilgte sein erstes Stück mit der Schnelligkeit und Präzision eines Eichhörnchens. »Dann könntest du Vergleiche anstellen. Grace sollte einen Imbiß oder so eröffnen, damit sie nicht mehr so viele verschiedene
Jobs annehmen muß. Sie arbeitet immer nur. Sie will sich nämlich ein Haus kaufen.«
»Ach ja?«
»Ja.« Seth leckte sich den Handballen ab, auf den Sauce getropft war. »Nur ein kleines, aber ein Garten muß schon dabei sein, damit Aubrey draußen herumtollen und einen Hund haben kann.«
»Das hat sie dir alles erzählt?«
»Klar. Ich hab’ gefragt, wie es kommt, daß sie sich so abrackert, all die Häuser putzt und im Pub bedient, und sie sagte, das wäre der Grund. Und wenn sie nicht genug sparen könnte, hätte Aubrey und sie nichts Eigenes, wenn Aub in den Kindergarten kommt. Ich schätze, selbst für ein kleines Haus muß man enorm viel Knete hinblättern, oder?«
»Ja, dafür braucht man sehr viel Geld«, sagte Ethan leise. Er erinnerte sich daran, wie froh und stolz er gewesen war, als er sein Haus gekauft hatte. Was es ihm bedeutet hatte, die Früchte seiner Arbeit greifbar vor sich zu sehen. »Es
Weitere Kostenlose Bücher