Gezeiten der Liebe
die Augen gegen den Rauch zusammen. »Dann kommt der Sportfischer dran. Sein Boot haben wir nicht vor Januar fertig, und das ist schon knapp kalkuliert. Uns fehlt die Zeit für den dritten Auftrag.«
»Sicher, unter den jetzigen Bedingungen. Aber ich könnte den ganzen Tag in der Bootswerkstatt arbeiten, und nach der Krebssaison könntest auch du länger hier anpacken.«
»Die Fischerei ist zwar nicht mehr das, was sie mal war, aber, naja ...«
»Du wirst dich entscheiden müssen, ob dir das Fischen wichtiger ist, oder ob du mehr Zeit in die Werkstatt investieren willst, Ethan.« Er wußte, was er da von seinem Bruder verlangte. Ethan lebte nicht nur vom Wasser, er lebte für das Wasser. »Phil wird in Kürze auch eine Entscheidung fällen müssen. Wir haben vorerst nicht das Geld, um Arbeiter einzustellen« – er stieß die Luft aus – »mal abgesehen von den drei Kids. Dieser Freund von Bardette will sich noch nicht festlegen. Er will erst herkommen, uns kennenlernen und sich die Werkstatt ansehen, wie wir hier so arbeiten. Ich denke, wir sollten Phillip darauf ansetzen, ihm einen Vertrag aufzuschwatzen, der ihn zu einer Anzahlung verpflichtet.«
Ethan hatte nicht erwartet, daß es so schnell gehen würde, daß die Erfüllung des einen Traums den anderen in den Hintergrund drängen würde. Er dachte an die vielen kalten Wintermonate, in denen er gefischt hatte, an das Schaukeln der Skipjack in der starken Dünung, die lange, oftmals enttäuschende Suche nach Austern, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Für manche ein Alptraum, aber nicht für ihn.
Er ließ den Blick durch das Gebäude schweifen. Das nahezu vollendete Boot wartete in dem grellen Deckenlicht auf willige, fähige Hände, die ihm Leben einhauchten. Seth’ gerahmte Skizzen, die an der Wand hingen, kündeten von Träumen und Schweiß. Ringsherum wartete still das trotz der Staubschicht funkelnde Werkzeug.
Quinn-Boote, dachte er. Wenn er sich das eine nehmen wollte, mußte er das andere loslassen.
»Ich bin nicht der einzige, der den Kutter oder die Skipjack steuern kann.« Er sah Cams fragenden, verständnisvollen Blick und hob eine Schulter. »Es geht darum, die verfügbare Zeit am nutzbringendsten aufzuteilen.«
»Ja.«
»Ich schätze, ich könnte einen Einmaster entwerfen.«
»Und laß bloß Seth den Bauplan zeichnen«, fügte Cam lachend hinzu. Ethan verzog das Gesicht. »Wir haben alle unsere Stärken und Schwächen, Kumpel. Zeichnen liegt dir eben nicht besonders.«
»Ich werde mal in mich gehen«, erwiderte Ethan. »Wir können ja sehen, was dabei herauskommt.«
»Na schön. Und ...« Cam leerte seine Tasse. »Wie war der Rezeptetausch?«
Ethan grinste. »Darüber wollte ich eigentlich noch ein Wörtchen mit deiner Frau reden.«
»Von mir aus.« Lächelnd nahm Cam ihm die Zigarre aus der Hand und zog daran. »Du siehst heute wirklich ... entspannt aus, Bruderherz.«
»Bin ich ja auch«, entgegnete Ethan. »Aber du hättest mir ruhig einen Tip geben können, daß Anna eine Verschwörung anzettelt, um Schwung in mein Sexleben zu bringen.«
»Hätte ich getan, hätte ich wirklich getan, wenn mir das bewußt gewesen wäre – oder vielleicht auch nicht, da dein Sexleben tatsächlich mal ein bißchen aufgepeppt werden mußte.« Spontan nahm Cam seinen Bruder in den Würgegriff. »Ich mag dich nämlich, Mann.« Er lachte nur, als sich ein Ellbogen in seine Rippen bohrte. »Siehst du? Sogar deine Reflexe sind in Schwung gekommen.«
Ethan drehte sich blitzschnell um und nahm seinen Bruder in die Zange. »Du hast recht«, sagte er und klopfte mit den Fingerknöcheln fest auf Cams Kopf.
An diesem Abend war Ethan mit Kochen an der Reihe. Er gab ein Ei in eine Schüssel mit Rinderhack. Nicht, daß er Kochen haßte. Es gehörte zu den Dingen, die einfach getan werden mußten. Insgeheim hatte er ja die egoistische Macho-Hoffnung gehegt, daß sich Anna als einzige Frau im Haus allein um den Haushalt kümmern würde.
Diese Hoffnung war jedoch schnell zerplatzt wie eine Seifenblase.
Sicher, ihre Anwesenheit sorgte dafür, daß die Last sich auf mehr Schultern verteilte. Aber das Schlimmste war in seinen Augen die Zusammenstellung des Speisezettels. Nur für sich zu kochen, war im Vergleich dazu ein Kinderspiel. Er hatte schnell gelernt, daß sich, wenn man für eine Familie kochte, jeder zum Gourmetkritiker berufen fühlte.
»Was soll das werden?« wollte Seth wissen, als Ethan Hafermehl in die Mixtur
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