Gezeiten des Krieges
hierher geschickt hatte.
Der Anflug an Bord der Corporate Raider - ein vor aller Augen versteckter Witz, pflegte Bannson zu sagen - war lang und langweilig gewesen. Aufenthalte und Durchsuchungen. Überflüssige Sicherheitskontrollen, die jeder Navigator, der diesen Namen verdiente, mit einem einzigen interplanetaren Piratensprung umgehen konnte. Am Boden angelangt, war es nicht besser gewesen: Todeskommando-Eskorten, ständige Terminänderungen ohne Einspruchsmöglichkeit, endloses Warten in winzigen Zimmern, bis irgendwann ein neuer Lakai auftauchte und wissen wollte, weshalb sie den Kanzler sehen wollte. Zunächst hatte sie ihnen nur Bannsons Namen genannt. Zehn Besuche später bekamen sie einen Tritt in den Hintern und einen freundlichen Flug zur Türe hinaus.
Wenn es Bannson nicht gefiel, wie sie ihre Geschäfte erledigte, konnte er das nächste Mal einen seiner speichelleckenden Schlipsträger schicken. Die Zeit mit den Großen und Mächtigen zu vertrödeln, lag ihr nicht. Aber mit einem Mech hätte Di für Bannson die Hölle gestürmt.
Nur ein paar Minuten mit dem Messer, das sie versteckt in einer Scheide im Ärmel trug, und sie hätte dem capellanischen Herrscher einen interessanten Ausdruck in das leblose Gesicht geschnitzt. Sie fragte sich, wie er mit nur einem Auge aussehen würde.
Bestimmt auch nicht besser als jetzt.
Sie lächelte und der Kanzler wandte mit strengem Blick den Kopf. »Sie zweifeln an der Rückkehr meines Vaters?«
Ja! »Ich bezweifle, dass mein Arbeitgeber zu diesem Punkt eine Meinung hat. Ich bin hier, um einen Bericht abzuliefern und, das soll keine Beleidigung sein, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden.« Sie wollte den Datenkristall aus der Tasche holen, doch er wandte sich ab. Schon wieder. Niemand wollte ihr dieses verdammte Ding abnehmen. »Mein Auftraggeber ist sehr verärgert, dass er seine ... Belohnung ... noch nicht erhalten hat.«
»Wir sind nicht im Besitz Liaos, oder.« Das war keine Frage.
Di atmete auf, als die Metalltüren endlich mit einem Flüstern aufglitten und den Zugang zu einem achteckigen Raum freigaben, der nicht größer war als ein BattleMech-Liftkran. Rund um den gesamten Boden zog sich ein Saum. Die Wände bestanden aus weißfleckigem Fels. Bis auf ein Geländer, etwas über einen Meter hoch und rund um den gesamten Raum führend, war er leer. Ein Aufzug hinab in diesen
Donnerberg, von dem Daoshen auf dem Flug nach Norden gesprochen hatte.
»Mein Auftraggeber hat sich nicht verpflichtet, Liao einzunehmen. Er hat sich verpflichtet, Ihr Bestreben in der Republik zu unterstützen. Mehr nicht.«
Sie folgte Daoshen in die Kammer. An keiner Wand war eine Führung zu erkennen, also musste der Boden von unten heraufgeschoben worden sein. Sie standen sozusagen auf einem gewaltigen Kolben. Der Gedanke behagte ihr nicht, aber zumindest versprach das keine lange Fahrt in einem geschlossenen Raum zu werden - mit dieser lebenden, fürstlichen Vogelscheuche. Die hätte nur einer von ihnen überlebt.
»Wie wir unsere Vereinbarung auslegen, steht nicht zur Debatte«, erklärte Daoshen.
»Nun, er hat ganz sicher keiner Beschlagnahmung irgendeines Teiles seiner Flotte außerhalb der Präfektur V zugestimmt.« Das war ausgesprochen diplomatisch von ihr. Tatsächlich hatte Bannson eine unbezahlbare Skulptur durchs Zimmer geschleudert und zerbrochen, als er erfahren hatte, dass das OrienteProtektorat drei seiner Sprungschiffe beschlagnahmt hatte. Auf Daoshen Liaos Vorschlag hin!
Der Lift setzte sich in Bewegung und nahm schnell Fahrt auf. Dis Magen hatte Mühe mitzukommen. »Sie haben das mit dem Botschafter Orientes besprochen, nicht wahr?«
»Er war verständlicherweise neugierig, wie ich Truppen und Nachschub so schnell bewegen konn-te.« Daoshen klang beinahe, als schnurre er, so selbstgefällig und zufrieden wirkte das.
»Und so täuscht das Protektorat einen Angriff auf Elnath vor und kann sich Ohrensen holen, ohne sich gegenüber dem Marik-Stewart-Commonwealth eine Blöße zu geben. Auf Kosten meines Arbeitgebers.« Inzwischen verschwammen die Wände und sie trat einen Schritt zurück.
Daoshen blieb, wo er war, so dicht an dem nahezu nutzlosen Sicherheitsgeländer, dass Di ihm mit einem ordentlichen Schubs das Grinsen hätte aus dem Gesicht schaben können. Sie glaubte keine Sekunde an die selbstgefälligen Gerüchte über die übermenschliche Kraft oder die telepathischen Fähigkeiten des Konföderationsfürsten. Aber sie glaubte etwas anderes:
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