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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Ernst Ludwig («Ohne Bindestrich, Frl. Krise!») regte sich auf. Vorwurfsvoll hob er seine Arbeitsblätter in die Höhe und plinkerte durch seine Brille.
    «Herr Heinze! Das hab ich Ihnen doch schon so oft gesagt! Warum lochen Sie die nicht?»
    Das Kind hatte ja recht. Schließlich kann man ungelochte Blätter nicht abheften. Jetzt mussten erst wieder unsere beiden Locher herumgegeben werden. Diese Art der Tätigkeit können Schüler leider nicht einfach nebenher machen, das wird immer eine Aktion, die zu einer Extraportion Kommunikation verführt und damit zu Unruhe und Verzögerung führt. Herr Heinze schien das nicht zu kapieren. Deshalb war Ernst Ludwig sehr unzufrieden mit ihm. Er hatte ihm schon sehr viele hilfreiche Tipps gegeben, aber Herr Heinze machte kaum Fortschritte.
    Ernst Ludwig war ehrgeizig, er wollte lernen und gute Noten bekommen, das war aber bei Herrn Heinzes chaotischem Unterricht kaum möglich. Erst vor kurzem hatte Ernst Ludwig ihm geraten, er sollte die Lösungen der Aufgaben mit dem Overheadprojektor an die Wand werfen, anstatt sie nur vorzulesen – da höre doch keiner zu! Und nun machte er es heute schon wieder falsch. Und immer dieser Krach!
    «Sprechen Sie nicht so laut, Herr Heinze! Sie müssen nicht schreien», sagte Ernst Ludwig. «Wenn Sie das tun, werden alle nur noch lauter.»
    Aber Herr Heinze hörte ihn nicht. Es war zu laut.
    Ernst Ludwig seufzte. Herr Heinze war ein sehr schwerer Fall. Beratungsresistent sozusagen.
    Mein Schüler wandte sich an mich: «Frl. Krise», sagte er verzweifelt. «Ich verstehe das nicht. Herr Heinze müsste das doch nur so machen wie Sie oder Herr Wolf. Das hab ich ihm doch schon so oft gesagt. Aber er nimmt ja nichts an!»
    Herr Heinze nahm dann doch noch etwas an. Er brach nämlich sein Referendariat ab, und das war gut so.
    Fand auch Ernst Ludwig.

Ömürs dickes Problem
    Wir schlurfen durch die schwüle Mittagshitze zu einer technischen Einrichtung, die wir besichtigen sollen. Das ist Teil dieses neuen Projekts. Was das mit Berufsorientierung zu tun haben soll, will sich mir nicht ganz erschließen. Ich frage also nach, und Herr Hänlein lächelt verlegen und erzählt, dass die Werkstätten, die wir eigentlich besuchen sollten, gerade nicht zur Verfügung stehen, wegen Prüfungen.
    Aha.
    Herr Hänlein kann nichts dafür, er ist ja nicht der Leiter der ganzen Angelegenheit, und es gefällt ihm auch nicht. Das macht ihn mir wieder sympathischer. Der Ärmste hat es nicht leicht, denke ich, nein, ich möchte nicht mit ihm tauschen.
    Wir beide sind mit acht meiner Schüler unterwegs. Acht! Nicht zu glauben! Gut, drei sind krankgemeldet. Aber was ist mit den anderen los?
    Ich ärgere mich und sage etwas ungnädig zu Ömür: «Wo warst du denn gestern? So oft kann man doch nicht krank sein!»
    «Ich war Krankenhaus!» Ömür sieht mich mit aufgerissenen dunklen Kulleraugen an. «Ich hatte blutigen Durchfall!»
    « Was hattest du?»
    «Ja, blutigen Durchfall, aber ich hatte nicht EHEC!»
    «Echt jetzt? Du kannst einen aber erschrecken!»
    «Ja, wa?» Ömür ist sehr zufrieden mit der Wirkung seiner Krankengeschichte. «Frl. Krise, und wissen Sie was? Ich komme so rein in Krankenhaus bei’n Arzt, und der guckt mich an und sagt: ‹Du weißt schon, dass du Übergewicht hast? Du musst abnehmen! Unbedingt!› Ich soll dreißig Kilo abnehmen!»
    «Dreißig Kilo!» Ich bin entsetzt.
    «Dann wiege ich nur noch fünfzig!» Ömür schüttelt den Kopf.
    Er ist ziemlich klein, aber dreißig Kilo kommen mir sehr viel vor. Wie soll er das denn schaffen?
    «Ich finde, zwanzig sind genug», sagt Ömür. «Und dann kam noch Ärztin, die hat auch gesagt, ich muss abnehmen. Ich hatte doch andere Probleme, aber die haben immer nur von Abnehmen gesprochen.»
    «Was hattest du denn nun eigentlich?»
    «Das kam von Peperoni, das macht kleine Wunden in Darm. Und die bluten!»
    Ich bin beeindruckt.
    Wir müssen jetzt ein Stück Straßenbahn fahren und schweigen lieber. Darmprobleme in der Öffentlichkeit – das geht gar nicht.
    Emre gibt eine Runde Plätzchen aus, und Ömür trinkt Cola aus der Flasche.
    «Ich soll nur noch Cola trinken, wenn ich mit Freunden zusammen bin, hat die Ärztin gesagt», vertraut er mir an. Na toll! Das wäre dann montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr.
    Beim Umsteigen sage ich: «Du, Ömür, wir können uns das Abnehmen teilen. Du nimmst zwanzig Kilo ab und ich den Rest.» Ömür lacht und findet die Idee voll king.
    «Ich habe nämlich schon

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