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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Sie kennen doch unsere Namen nicht!» Gamze ist hartnäckig. «Lass uns doch mal in den Kreis setzen, da geht das am besten, und …»
    Recht hat sie, denke ich. Ohne Namen ist man hilflos. Aber auch das scheint Herr Hänlein nicht zu wissen.
    Er teilt Bögen aus, auf denen Name, Alter usw. aufgeschrieben werden sollen. Alle stöhnen. Schreiben! Aber sie machen sich dennoch über die Bögen her und füllen sie ruck, zuck aus. Nur Hanna und Gamze geraten lautstark aneinander.
    «Du da, und … ähm … hey … hallo du … HALLO! Hört ihr mal auf?» Die Damen fühlen sich nicht die Bohne angesprochen.
    Herr Hänlein, denke ich, wäre doch schön, wenn Sie jetzt die Namen wüssten. Warum bringt man denen so was nicht bei? Das sind doch Basics, die Leben und Unterricht retten können.
    Die Blätter werden nun abgegeben, und Herr Hänlein schwärmt: «Super! Das habt ihr ganz toll gemacht! Sehr gut! Ganz großes LOB!»
    «Was will er?» Aynur guckt mich an. «Will er uns verarschen? Was ist daran toll? Namen schreiben! Ganz toll!»
    Ich seufze und gucke auf die Uhr. Knapp zwanzig Minuten sind rum. Ich muss zwei Stunden dabeibleiben, ein grässlicher Gedanke.
    Herr Hänlein gefällt die allgemeine Unruhe nach dem Abgeben der Blätter nicht. Alle reden miteinander, aber relativ leise. Wenn er jetzt auch sehr, sehr leise sprechen oder aber ganz schweigen würde, hätte er eine gute Chance durchzudringen, denke ich. Aber nein, er erhebt seine Stimme und ruft sehr, sehr laut: «Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich euch sagen, dass es in Bewerbungs- und Testverfahren bei Betrieben nicht gut angesehen ist, wenn sich Bewerber so benehmen, dass sie den Eindruck erwecken, dass sie dem Verfahren nicht positiv gegenüberstehen, sondern eher nach außen vermitteln, dass sie nicht in der Lage sind, konzentriert und aufmerksam den Anweisungen der anleitenden Personen, also den Testper…»
    «Warum schreien Sie eigentlich so?», unterbricht ihn Gamze.
    «Was Testverfahren?», fragt Fuat.
    «Aber jetzt machen wir doch mal ein Kennenlernspiel im Kreis, wa, Herr Hänch-lein», ruft Gamze.
    Aber Herr Hänlein hat anderes im Sinn.
    Zwei Stunden … Irgendwie geht die Zeit vorbei. Karl darf dann mit ihm in unserer Klasse schmoren. In der dritten und vierten Stunde habe ich Unterricht in einer anderen Klasse. Ganz normalen, herrlichen Deutschunterricht. Es geht um Fremdwörter und macht voll Spaß. Mir jedenfalls! Nur bei dem Wort «Projekt» zucke ich unangenehm berührt zusammen.

«Warum lochen Sie nicht?»
    Wie Schüler lernen, ist ziemlich gut erforscht. Das behaupten zumindest die Autoren unzähliger pädagogischer Artikel und Fachbücher. Mit der Frage, wie und ob Lehrer lernen, hat man sich bisher kaum beschäftigt. Dabei wäre das ein interessantes Forschungsgebiet! Nach meiner Beobachtung sind es nämlich nicht die Professoren, Tutoren oder Seminarleiter, die dem Lehrer das Unterrichten beibringen. Nein, weit gefehlt, das machen echte Experten:
    Die Schüler!
    Die wissen, wie es geht.
    Ungefragt und ohne Gnade geben sie dem Anfänger, aber auch dem gestandenen Lehrer vor, wie Unterricht zu funktionieren hat. Besonders mit methodischen Hinweisen geizen sie nicht:
    «Ihre Schrift an der Tafel kann doch kein Mensch lesen!»
    «Meine Eltern wollen Sie anrufen? Das nützt sowieso nichts!»
    «Machen wir bei Ihnen nie Experimente?»
    «Bei dieser Hitze sollte man unbedingt rausgehen!»
    Was guter Unterricht ist, wissen sie genau: Sie werden sofort unruhig, wenn eine Phase zu lange dauert. Sollte eine Aufgabenstellung unklar formuliert sein, melden sie sich lautstark zu Wort, und sie verweigern sich unbarmherzig, falls sie die Gefahr sehen, sich womöglich zu überfordern. Richtig verstanden habe ich das aber erst nach einigen Jahren im Dienst.
    Ich übernahm damals ein fünftes Schuljahr, das es ablehnte, meinen bescheidenen Unterricht kritiklos über sich ergehen zu lassen. Offensichtlich waren die Kinder von der Grundschule Besseres gewohnt, und vier Mädchen – Nilgün und Nilüfer, Maria und Vanessa – nahmen energisch meine Fortbildung in die Hand. Ich war zunächst irritiert, begriff aber schnell, dass ihre Tipps Hand und Fuß hatten, und setzte sie, so gut es ging, um.
    Im Laufe der Jahre habe ich unzählige Praktikanten und Referendare betreut und durfte diesen magischen Lehrer-Lernprozess immer wieder beobachten. Referendar Jan Heinze war dabei allerdings ein Sonderfall.
    «Herr Heinze! Herr Heinze!»
    Mein Schüler

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