Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
Vom Netzwerk:
Kinderwagen hat?
    «Die Männer müssen heute auch im Haushalt helfen! Schließlich wollt ihr doch alle arbeiten», erinnere ich Azzize, die «Polizei» werden möchte.
    «Auf jeden! Ich geh arbeiten. Ich will nur zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Die gehen Kindergarten», ruft Azzize, hüpft vom Pult runter und blickt sich kritisch um.
    «Schlecht gekehrt!», sagt sie im Kommandoton. «Da hinten liegt noch voll viel!»
    «Kehr doch selber!» Hassan stellt den Besen hinter die Tafel und klagt: «Frl. Krise, Mädchen sind voll faul. Aynur macht nie was, und die schmeißt immer alles hinter Regal. Gucken Sie da mal!»
    Tatsächlich, da sieht es ja grauenhaft aus! Eine private Müllkippe. Spinnt die?
    «Kehr das mal bitte sofort weg, Aynur», befehle ich, aber Madame ist schon über alle Berge. Ich nehme den Besen.
    «Ich mach’s», sagt Hassan und windet ihn mir aus der Hand. «Mädchen sind ja wohl alle voll dreckisch, vallah!»
    Meint der mich jetzt?

Der muss noch viel lernen
    Unterricht? Was das? Wir haben schon wieder ein Projekt am Hals. Und es geht dabei natürlich abermals um die Berufsorientierung. Ein äußerst wichtiges Thema, ohne Frage. Das Innungsprojekt neulich war ja echt gut, die Meister wussten, wie sie mit unseren Lieben umgehen mussten. Aber dies hier! Bei diesem Projekt kommen Leute in die Schule, die keinerlei pädagogische Ausbildung haben, und die sollen dann mit unseren Schülern arbeiten. Das gelingt ja selbst uns ausgefuchsten Lehrern nicht immer.
    Und so ging’s heute Morgen los: Ein junger, etwas unscheinbar aussehender Mann wartet im Lehrerzimmer auf mich, schüttelt mir die Hand und sagt, er würde diese Woche meine Klasse betreuen. Herr Hänlein sei sein Name.
    Ich versuche ihm schnell noch ein paar Infos über die Schüler zu geben, weil ich weiß, dass das jetzt etwas schwierig werden könnte. Aber Herr Hänlein will das gar nicht hören, er lächelt mich ein bisschen mitleidig an und meint: «Ach, das kriegen wir schon hin.»
    Schön, denke ich, ich an deiner Stelle würde solche Hinweise nicht verschmähen. Aber dann mach du mal, ich muss mich ja nicht aufdrängen. Und so setze ich mich neben das Pult.
    Es klingelt. Meine Schüler sind ganz friedlich und entspannt, sie haben mich auf der Treppe begrüßt und Herrn Hänlein schräg angeguckt. Kleine Schüler freuen sich über neue Leute, ältere sind da meist eher skeptisch. Außerdem sind sie «geistlich» noch nicht ganz in der Schule angekommen, denn das Wochenende war lang und hart, und es gibt viel zu erzählen …
    Herr Hänlein beginnt sich mitten in das Gerede der Schüler vorzustellen. (Ein klassischer Anfängerfehler!) Blöd nur, dass ihn keiner beachtet. Das scheint er aber gar nicht zu bemerken. Er spricht hauptsächlich zu Emre, der sitzt in der ersten Reihe und schaut ihn an. Dann schreibt er seinen Namen an die Tafel. Leider so undeutlich, dass man es nicht lesen kann. Wenigstens haben einige Schüler diese Bewegung mitbekommen und rufen: «Was soll das heißen? Kann man nicht lesen! Was heißt das?»
    Herr Hänlein sagt deshalb noch mal seinen Namen.
    Hanna lacht und fragt: «Wie Hähnchen?»
    «Nein», antwortet Herr Hänlein. «Ihr seht ja, das wird ohne h geschrieben.»
    «Hört sich aber so an wie Hähnchen», meint Hanna.
    «Heißen Sie Herr Hähnchen?», fragt jetzt Fuat, der ganz genau verstanden hat, wie der Mann heißt.
    «Nein, nein, Hänlein heiße ich, nicht Hähnchen.» Herr Hänlein zeigt auf die Tafel.
    «Das kann doch kein Mensch lesen!» Das ist Aynur.
    Herr Hänlein greift zum Schwamm und wischt seinen Namen aus. Dann schreibt er in Druckbuchstaben noch einmal Hänlein an.
    «Hänlein», sagt er. «Hänlein.»
    Die Schüler lachen ein bisschen, und ich rolle mit den Augen. Merkt der nicht, dass er bereits in den ersten drei Minuten voll verarscht wird? Das kann ja heiter werden. Schüler können vieles nicht, aber eins können sie alle ausgezeichnet: Sie checken sofort, wer da vorne steht und was bei dem geht und was nicht geht.
    Und hier geht eine Menge.
    Obwohl ich mich raushalten wollte, entfährt mir ein «Schluss damit! Ihr könnt alle hören und lesen!».
    Meine Klasse hat verstanden. Also Themawechsel.
    «Was machen wir denn jetzt, Herr Hänlein?», fragt Gamze. «Sollen wir mal so ein Kennenlernspiel machen? Wir könnten uns in den Kreis setzten und …»
    «Nein, nein, ihr müsst erst mal die Blätter ausfüllen. Und unterschreiben, ganz wichtig», erklärt Herr Hänlein.
    «Aber

Weitere Kostenlose Bücher