Ghost Lover
„Nicholas Stapleton“, las sie. Marcus’ Sohn?
Aufgeregt schlug sie die erste Seite auf und überflog den Inhalt.
Ella lud ihre Einkäufe in den Kofferraum und knallte den Deckel zu.
Sie hatte die Erledigungen im Supermarkt in Windeseile hinter sich gebracht, nachdem sie sich von Beth verabschiedet hatte. Die Frau war enttäuscht gewesen, dass Ella sie nach dem Besuch des Antiquariats so schnell abgefertigt hatte, doch Ella hatte nur den Wunsch, so schnell wie möglich zu Marcus zurückzukehren.
Mit einer seltsamen Mischung aus Angst und froher Erwartung betrat Ella ihr Haus. Sie wagte nicht, nach Marcus zu rufen, aus Furcht, er könnte nicht kommen und so trug sie ihre Einkäufe in die Küche.
Langsam und bedächtig machte sie sich ans Aufräumen. Von Marcus war nichts zu sehen und zu hören. Als sie die Ungewissheit nicht mehr aushielt, lief sie in den Garten. Doch dort war er nicht. Enttäuscht lief sie nach oben. Die Schlafzimmertür war geschlossen. Langsam drückte sie die Klinke hinunter und öffnete die Tür.
Ihr stockte der Atem und dann stiegen ihr die Tränen in die Augen.
„Mein Gott, das ist das Schönste, das ich je gesehen habe.“ Überall waren Blumen. Auf dem Bett, den Nachttischen, den Kommoden, dem Fenster. Bunte Blumen, einzelne und in Sträußen. Alle waren fein säuberlich mit kleinen Zetteln versehen.
Sie griff nach der erstbesten Notiz, die an einer Calla befestigt worden war. ‚Ich bewundere Dich. Du bist schön’ war darauf zu lesen. Ella drehte das Papier und las auf der Rückseite: ‚Calla’.
Sie schluckte und las die Botschaft einer Immortelle: Ewige Liebe. Ein Strauß Margeriten sagte ihr: Du machst mich glücklich.
Eine Traubenhyazinthe: Nur Inniges und Süßes weiß ich über dich.
„Gefällt es dir?“, erklang Marcus’ Stimme hinter ihr.
Ella drehte sich um. Sie sah sofort, dass sie ihn nicht berühren konnte und so hauchte sie einen Kuss auf seine durchsichtigen Lippen.
„Es ist einfach unglaublich“, sagte Ella ergriffen.
Sie wanderte durch den Raum und las die Zettel. Marcus beobachtete sie mit einer Mischung aus Wehmut und Freude.
Schließlich hatte sie alle Botschaften gelesen und wandte sich wieder ihm zu.
„Danke!“
Er lächelte und streckte die Hand nach ihr aus. Sie wollte ihre hineinlegen, musste jedoch feststellen, dass er nach wie vor geisterhaft war.
Besorgt sah sie ihn an.
„Wir müssen reden“, sagte er.
Sie setzten sich zwischen die Blumen auf das Bett.
Marcus schwieg einen Moment. Ella hatte Angst vor dem, was er ihr sagen würde.
„Ich verschwinde“, begann er.
Ella sah ihn nur an. Ihre Augen brannten und sie wusste, was er ihr sagen wollte.
„Meine Kräfte schwinden. Ich komme nicht dagegen an.“
„Du meinst, du bleibst durchscheinend?“
„Nein“, damit zerstörte Marcus Ellas letzte Hoffnung. Wenn sie ihn auch nicht mehr berühren konnte, so wäre sie damit glücklich gewesen, wenn sie ihn wenigstens um sich hätte haben können.
„Liebste, ich werde vollständig ins Licht gehen.“ Ella begann zu weinen. „Wie lange noch?“, wollte sie wissen.
Marcus deutete auf das Blumenmeer. „Das ist mein Abschiedsgeschenk. Der Sog ist zu stark.“
Sie schluchzte. „Das ist ungerecht! Es ist einfach nicht fair! Ich habe dich doch erst gefunden!“
Marcus streichelte über ihr Haar. Für Ella war es nicht mehr als ein kühler Hauch, der über sie hinwegstrich. Allein das bewies ihr, dass es endgültig zu Ende war. Solange Marcus erdgebunden gewesen war, war seine Spukerscheinung von frostiger Kühle begleitet gewesen. Doch nun fühlte sich der Kontakt angenehm an. Wie Eiscreme an einem drückend heißen Sommertag.
Irgendwann versiegten ihre Tränen.
„Geht es wieder?“
Sie nickte und blickte ihn an. „Wollen wir den Sonnenuntergang ansehen?“ Sie hatten so oft gemeinsam auf der Terrasse sitzend die Abendsonne beobachtet, dass es zu Ellas liebsten Erinnerungen gehören würde, daran zu denken.
„Was immer du willst.“
Ella holte den Buchband, den sie im Antiquariat erstanden hatte. Sie wollte ihm wenigstens noch das Wissen um das Schicksal seines Sohnes als Abschiedsgeschenk mitgeben.
„Ich habe das in Maidenly Head gefunden.“ Sie legte das Buch vor sich auf den Gartentisch.
Marcus starrte auf den Einband und sah dann Ella an. „Mein … mein Sohn?“, fragte er mit erstickter Stimme.
„Zum Zeitpunkt, als das Buch erschien, war er bereits ein alter Mann. Er hatte ein gutes Leben. Eine Frau, Kinder
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