Ghost Lover
Ziel war, aber weder Schlüssel noch eine Ahnung hatte, wo genau sich das Haus ihrer Tante befand. Sie würde wie ein übermütiger Teenager im Wagen schlafen müssen. Sie verschloss die Wagentüren von innen, brachte den Fahrersitz in eine bequemere Stellung und schloss die Augen für ein Nickerchen.
Ella lief barfuß über eine Blumenwiese.
Das Gras war üppig und saftig und von vierblättrigem Klee und Gänseblümchen durchzogen. Die Sonne schien und tauchte alles in goldenes Licht. Ella hielt einen Moment inne und sah an sich hinunter. Sie trug ein weißes Chiffonkleid, altmodisch körperbedeckt, aber ungemein feminin. Ihr Herz schlug vor Freude schneller. Vor ihr, am Ende der Blumenwiese stand ein Haus. Ein altes Fachwerkhaus mit weißen Wänden und ebenholzfarbenen Holzstreben. Kletterrosen überwucherten die Vorderfront und explodierten zu einer wahren Blütenpracht. Das Kupferdach glühte rotgolden in der Abendsonne.
Sie beschleunigte ihre Schritte, als sich die Tür öffnete und eine dunkle Gestalt im Rahmen stand. Vorfreude erfüllte sie …
Sie erwachte, als jemand an die Scheibe klopfte. Ein grünes Gesicht starrte hinein.
Ella zuckte zusammen, dann erkannte sie eine ältere Frau im Morgenmantel und mit einer Pflegemaske im Gesicht, die Tageszeitung unter den Arm geklemmt.
Erschrocken drehte Ella das Fenster auf.
„Guten Morgen“, wünschte sie und lächelte.
„‘n Morgen, was haben Sie hier verloren?“, wollte die Frau wissen. Die grünen Täler auf der Stirn hatten sich nur wenig gemildert.
„Ich bin nachts direkt von Heathrow hergefahren.“ Ella wollte auf keinen Fall für eine Betrunkene gehalten werden, die hier nur ihren Rausch ausschlief. „Ich wollte zum Pastor oder zum Bürgermeister. Mein Name ist Ella Francke. Ich bin Edith Willoughbys Nichte.“ Die Stirn der Frau glättete sich. „Ediths Nichte Ella“, rief sie. „Wenn wir das gewusst hätten! Kommen Sie, Sie müssen ja völlig erschöpft sein.“ Sie streckte ihren Arm durch das Fenster und schüttelte Ella die Hand. „Ich bin Elizabeth Payton, mein Mann William ist der Bürgermeister von Maidenly Green.“ Sie trat einen Schritt zurück.
„Kommen Sie, ich mache Ihnen erst einmal eine schöne Tasse heißen Earl Grey.“ Mrs. Payton strahlte und schien sich nicht im Mindesten daran zu stören, dass ihre Maske dabei Risse bekam. Sie hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Elphaba, der Hexe aus
Der Zauberer von Oz
.
Ella stieg aus und folgte der Frau in eines der Backsteinhäuser.
Hinter der Eingangstür lag das Wohnzimmer, ein niedriger Raum, der durch das gewaltige Sprossenfenster auf den Garten hinaus Licht und Freundlichkeit gewann. Das Sofa war ein gewaltiges Ungetüm, das wirkte, als würde es jeden Sitzenden in seine tiefblauen Polster aufsaugen.
Mrs. Payton zwang Ella sanft, aber bestimmt, auf das Polstermöbel, das sich als erstaunlich fest und bequem erwies.
„Machen Sie es sich gemütlich. Ich bringe Ihnen sofort den Tee.“
„Danke Mrs. Payton.“
Die Frau drehte sich um und schenkte ihr ein warmes Lächeln, wenigstens wirkte es so unter der grünen Schicht. „Beth, bitte nennen Sie mich Beth.“ Ella nickte. „Sehr gerne, ich bin Ella.“
Als Beth den Raum verließ, blickte Ella sich weiter um. Sie saß in einem typisch englischen Wohnzimmer. Ein Ohrensessel in gediegenem Moosgrün, ein Beistelltischchen mit Schachbrett, Brandyglas und Pfeife.
Eine Kaminattrappe, auf deren Sims Bilderrahmen standen und ein Wimpel der englischen, nicht der britischen Flagge, wie Ella amüsiert erkannte. Die Wände waren mit einer dezent elfenbeinfarbenen Tapete verkleidet und passende braune Bilderrahmen rundeten das Ganze ab.
Ein äußerst geschmackvoller Raum, ganz, wie man sich den Wohnraum der Upperclass vorstellte. „So, der Earl-Grey.“ Beth trat ein.
Sie bückte sich, um den Tee vor Ella auf den Couchtisch zu stellen, da löste sich ein hellgrüner Brocken von ihrem Gesicht und plumpste in die Tasse. Tee spritzte hoch und bekleckerte die Untertasse.
Würdevoll richtete Beth sich auf. „Ich werde neuen Earl-Grey bringen“, erklärte sie. „In einer frischen Tasse.“
Sie drehte sich um und marschierte in die Küche und kehrte kurz darauf zurück. Diesmal lag die Untertasse auf der Tasse.
„Ich mache jeden Fehler nur einmal“, erklärte sie schmunzelnd.
Ella lächelte. „Vielen Dank.“
„Trinken Sie Ihren Tee, Ella. Ich werde mich präsentabel machen und inzwischen Will herunterschicken.“
Ella
Weitere Kostenlose Bücher