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Engel der Finsternis (German Edition)

Engel der Finsternis (German Edition)

Titel: Engel der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.B. Brothers
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1. Kapitel
    Am Tag der Wintersonnenwende, dem einundzwanzigsten Dezember, lag das ganze Land unter einer dicken Schneedecke begraben. Es war so kalt wie seit langem nicht mehr. Als Walburga in den frühen Morgenstunden erwachte und merkte, dass es noch finster war, schloss sie sofort wieder die Augen und versuchte, erneut einzuschlafen. Der Traum war zu schön gewesen.
    Aber die Geräusche der Tiere und der unerträgliche Gestank aus dem Stall erinnerten sie auf unangenehmste Art und Weise daran, wo sie sich befand und unter welch armseligen und widerwärtigen Bedingungen sie leben musste. Walburga zog sich die schmutzige Decke aus grobem Leinen über den Kopf, bis nicht einmal mehr ein einzelnes ihrer blonden Haare unter der Decke hervorlugte, und wühlte sich tiefer in das faulige Stroh. Es half nichts. Sie fror entsetzlich. In dem windschiefen, uralten Bauernhaus war es eiskalt. Sie hob den Kopf und sah hinüber zur Feuerstelle. Die Glut schien erloschen. Um sie herum war es stockfinster.
    Irgendwo hinter der kalten Asche, in der Nähe des Eingangs, musste ihre Stiefschwester Franziska liegen. Natürlich war sie wieder eingeschlafen und hatte das Feuer ausgehen lassen, obwohl Mutter ihr am Abend zuvor noch ausdrücklich gesagt hatte, sie solle die Nacht über immer wieder Holz nachlegen. Aber auf Franziska war eben kein Verlass. Ihr konnte man noch nicht einmal die einfachsten Arbeiten anvertrauen. Wütend streckte Walburga den Kopf unter dem Leinen hervor und tastete den Boden nach einem Stück Holz ab.
    Der gestampfte Lehmboden unter dem Stroh war so kalt, dass sie erschrocken die Hand zurückzog, als sie ihn berührte. Sie steckte sich die klammen Finger in den Mund, um sie erst ein wenig zu erwärmen, ehe sie es noch einmal versuchte. Der kleine Tannenzweig, den sie schließlich fand, hatte sich mit Feuchtigkeit vollgesogen und fühlte sich beinahe schon weich an. Das nützte ihr eigentlich wenig, aber im Augenblick war eben nichts anderes zur Hand, also musste es genügen. Sie richtete sich ein wenig auf, stützte sich auf den linken Ellenbogen und warf den Zweig in Richtung Tür. Franziska stieß einen spitzen Schrei aus. Da wusste Walburga, dass sie getroffen hatte.
    Mitten ins Gesicht hatte Franziska den Zweig bekommen. Aber der Schmerz war nicht halb so groß wie der Schrecken, den Walburga ihr mit dieser heimtückischen Tat eingejagt hatte. Sie rieb sich die linke Wange und seufzte leise. Ihre Hoffnung, dass ihre Stiefmutter Heidrun sie nicht gehört haben könnte, erfüllte sich leider nicht. Wie eine bösartige Schlange zischte sie Franziska an, sie solle gefälligst den Mund halten. Ihr Vater Grimbert drehte sich mit einem unwilligen Brummen zur Seite und versuchte, das giftige Züngeln seiner zänkischen Ehefrau zu ignorieren. Die hatte aber inzwischen das erloschene Feuer bemerkt und wurde nun erst so richtig wütend.
    Wie Walburga dachte sie aber nicht daran, sich selbst von ihrer Bettstatt zu erheben. Zornig befahl sie Franziska, das Feuer wieder anzufachen. „Und pass ja auf, dass es nicht zu sehr raucht, sonst setzt es was!“, fügte sie drohend hinzu.
    „Mutter, mir ist kalt!“, jammerte Walburga und klapperte übertrieben mit den Zähnen.
    „Ich weiß. Komm her zu mir, mein Schatz!“ Die zwanzigjährige Walburga kroch zu ihrer Mutter hinüber, deren absolutes, wenn auch jüngeres Ebenbild sie war, und drückte sich fest an deren schlanken, jedoch kurvigen Körper.
    „Worauf wartest du?“, knurrte Heidrun, als sich Franziska nur langsam auf die Knie erhob und nach den Feuersteinen suchte. „Willst du, dass wir hier drin alle erfrieren?“ Besorgt nahm sie ihre Tochter Walburga in den Arm.
    Ihr anhaltendes Gekeife wurde dem Vater dann doch zu viel. „Halt endlich dein Maul, sonst gibt`s Schläge!“, schimpfte er. „Wie soll man bei dem Krach schlafen können? Reicht es nicht, dass ich dein Gemeckere den ganzen Tag in den Ohren habe? Muss ich mir dein Gekeife jetzt auch noch mitten in der Nacht anhören?“ Im Stall brüllte eine Kuh und Franziskas Vater warf fluchend seine Decke beiseite. Er zog sich eine aus grobem Leinen gewebte Hose über die dünne, die er in der Nacht getragen hatte, und warf sich eine dicke, wollene Weste über das unzählige Male gestopfte Hemd. Mit den mehrfachen Lagen an Kleidung wirkte er deutlich stämmiger, als er tatsächlich war. Müde fuhr er sich mit einer Hand über das stoppelige Kinn und dann durch das dunkelbraune, von grauen Strähnen durchzogene

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