Ghostbound (German Edition)
wusste sofort, was passiert war und wo sie sich befand. Doch das Öffnen der Augen fiel ihr unglaublich schwer, als ob Bleigewichte ihre Lider niederdrückten.
Endlich gelang es ihr.
Das Erste, was sie durch einen wabernden Rotschleier hindurch sah, war Daniels regungslose Gestalt wenige Meter neben sich auf dem Boden. Er lag ihr zugewandt auf der Seite, die Augen geschlossen. Auf der Brust seines Hemdes hatte sich ein dunkler Fleck ausgebreitet. Elizabeth brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es Blut war. Eine Menge Blut.
„Oh nein, nein, nein. Lieber Gott, nein, bitte nicht …“, flehte sie.
Auf allen Vieren schob sich Elizabeth an Daniels Seite. Ihre Hände flogen hilflos über sein Gesicht und seinen blutigen Oberkörper. Sie konnte nicht erkennen, wie schwer er verletzt war - Die Blutlache, die sich langsam unter ihm ausbreitete, ließ sie jedoch das Schlimmste befürchten.
„Daniel“, schluchzte sie, „bitte Danny, nein, bitte, Gott ...“ Sie kniete sich neben ihn, drehte ihn behutsam auf den Rücken und bettete seinen Kopf in ihren Schoss.
Daniels Augenlieder flatterten, ehe sie sich öffneten. Sein glasiger Blick suchte den ihren. „Liz?“ Nur der Hauch eines Flüsterns aus unbewegten, blutleeren Lippen. Seine Atmung kam flach und gepresst.
„Ich bin hier Danny, ich bin hier“. Sie streichelte die Seite seines Gesichts und versicherte ihm immer wieder: „Alles wird gut, Danny, alles wird wieder gut. Halte nur durch, hörst du?“
Mit der anderen Hand zog sie ihre Handtasche heran und fischte mit zittrigen Fingern ihr Handy heraus. Dann wählte sie den Notruf.
3
Es kam Elizabeth vor wie eine Ewigkeit in der tiefsten Hölle, bis das Rettungsteam endlich eintraf. Die ganze Zeit über presste sie mit der einen Hand ihre zusammengeknüllte Strickjacke so fest sie konnte auf die Wunde in Daniels Brust. Mit der anderen streichelte sie sein bleiches Gesicht.
Sie hielt seinen immer trüber werdenden Blick und sprach mit ihm, befahl ihm durchzuhalten und bei ihr zu bleiben.
Er durfte nicht aufgeben! Hilfe war unterwegs!
Doch es nutzte alles nichts. Sie konnte fühlen, wie er kämpfte. Und sie konnte fühlen, wie das Leben trotzdem unaufhaltsam aus ihm heraus sickerte. Er verblutete in ihren Armen.
Als das Rettungsteam schließlich eintraf und sie aufforderte zur Seite zu treten, wusste Elizabeth bereits, dass alle Bemühungen vergebens sein würden. Die Arme fest um den Bauch geschlungen, lehnte sie an der Hausmauer und sah zu, wie die Sanitäter versuchten, Daniels Leben zu retten.
Sie weinte nicht.
Alles erschien ihr sonderbar gedämpft, das Blaulicht des Krankenwagens, die hektischen Stimmen des Rettungsteams. Ihre Gefühle und Gedanken. Sie hatte nicht bemerkt, dass ihre Beine nachgegeben hatten und sie an der Wand entlang nach unten gerutscht war, bis einer der Sanitäter zu ihr kam und neben ihr in die Hocke ging.
„Miss? Wie geht es Ihnen? Sind Sie auch verletzt?“
War sie verletzt? Irgendwas schien mit ihren Augen nicht zu stimmen, denn sie sah noch immer rote Schlieren. Zudem fiel ihr das Atmen schwer und tosende Schmerzen brandeten gegen ihre Schläfen.
„Mein Kopf …“, flüsterte sie.
Der Sanitäter betastete vorsichtig ihren Hinterkopf und leuchtete ihr mit einer kleinen, aber extrem hellen Taschenlampe in die Augen.
Stöhnend wandte Elizabeth das Gesicht ab.
„Miss, Sie kommen besser mit ins Krankenhaus. Sie haben eine Platzwunde am Hinterkopf, die dringend behandelt werden muss. Und ich denke, Sie haben eine Gehirnerschütterung. Auf jeden Fall stehen Sie aber unter Schock.“
„Danny …“
„Es tut mir sehr leid, Miss, aber für Ihren Freund konnten wir nichts mehr tun.“
Der Sanitäter legte ihr eine Decke um die Schultern, half ihr auf die Beine und führte sie zum Krankenwagen. Mit Gewalt löste Elizabeth die Augen von Daniels leblosem Körper und wollte sich gerade dem Sanitäter zuwenden, als ihr Blick auf einen Gegenstand zu ihren Füßen fiel, der im Blaulicht des Krankenwagens metallisch schimmerte. Daniels Sonnenamulett. Es musste ihm während des Kampfes vom Hals gerissen worden sein. Ächzend bückte sie sich, um es aufzuheben, und umschloss es fest mit der Hand.
„Einen Augenblick, bitte. Ich würde ihr gerne noch einige Fragen stellen, bevor man sie ins Krankenhaus bringt.“
Elizabeth blickte auf. Vor ihr stand ein uniformierter Polizist in einer neongelben Warnweste und mit einem Klemmbrett unter dem Arm. Wann war denn
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