Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
bevor sie mit seinem Vater zusammengekommen war? Aber seine Mutter hätte ihn doch sicher nicht verlassen, wenn sie ihn heiraten wollte. „Das glaube ich Ihnen nicht.“
Wortlos holte Jennings sein Portemonnaie hervor und zog etwas heraus. Er hielt es Melvin vor die Nase. „Überzeugt dich das hier vielleicht?“
Es war ein Foto von seiner Mutter, neben ihr eine viel jüngere Version von Jennings. Er lächelte in die Kamera, als wäre er der glücklichste Mann der Welt. Auch seine Mutter lächelte, aber auf Melvin wirkte es so, als würde es nicht bis zu ihren Augen reichen. Sein Blick fiel auf ihre Hand, die auf Jennings’ lag und an deren Ringfinger ein großer Diamantring funkelte.
Übelkeit wühlte in seinem Magen. Wie konnte das sein? Seine Mutter hatte seinen Vater über alles geliebt, jeder hatte ihm das bestätigt. Wie oft hatte sein Vater ihm erzählt, wie sie sich begegnet waren und sich bereits in der ersten Sekunde ineinander verliebt hatten? Aber das konnte ja nicht sein, wenn Melody mit Jennings verlobt gewesen war. Ein gut aussehender und anscheinend auch nicht armer Mann, wenn er die Größe des Diamanten in Betracht zog. Warum sollte seine Mutter so einen Mann verlassen, um dann vergessen irgendwo im Wald zu leben?
„Glaubst du mir jetzt?“ Jennings’ Stimme drang in seine Gedanken.
Melvin sah ihn verwirrt an. „Wie haben Sie mich gefunden? Und woher wollen Sie überhaupt wissen, dass ich Melodys Sohn bin?“
„Ich habe meine Quellen. Und was das andere angeht …“ Jennings zögerte, und seine Miene wurde sanfter. „Du siehst aus wie sie. Diese blauen Augen. Ich sehe sie auch nach all den Jahren noch vor mir.“
Melvin musste zugeben, dass er äußerlich schon immer mehr nach seiner Mutter gekommen war als nach Conner.
„Wenn ich dich so ansehe, kann ich mir fast vorstellen, wir hätten damals geheiratet und du wärst unser Sohn.“ Jennings’ Stimme klang belegt, offensichtlich hatte er Melody tatsächlich sehr geliebt. „So war es seit Langem geplant und so wäre es auch geschehen, wenn ich damals verhindert hätte, dass Mel diesen verfluchten Camping-Trip mit ihren Freundinnen unternimmt. Wie konnte ich so dumm sein, das zuzulassen?“ Trauer und Wut verzerrten sein Gesicht.
Eine gute Frage. Aber da Melvin andernfalls gar nicht existieren würde, war er froh, dass es dazu gekommen war. Obwohl er manchmal dachte, dass es vielleicht besser wäre, wenn er gar nicht geboren worden wäre. Seine Mutter würde noch leben, und er müsste nicht diese Halbexistenz führen, in der er sich nirgends heimisch oder zugehörig fühlte.
Melvins Augen wurden feucht, als er sich daran erinnerte, wie er das vor einigen Wochen zu Conner gesagt hatte, der daraufhin so wütend geworden war, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Sein Vater hatte ihn an den Armen gepackt und sein Gesicht ganz nah an Melvins herangeschoben und ihm gesagt, dass seine Mutter ihm mehr als alles andere auf der Welt das Leben schenken wollte und auch er selbst keinen Moment bereut hätte, Melody gefunden und mit ihr ein Kind – ihn – gezeugt zu haben. Auch wenn ihre gemeinsame Zeit sehr kurz gewesen war, sie hatten jede Minute genossen. Der Schmerz und die Gewissheit in den Augen seines Vaters hatten ihn überzeugt, dass er die Wahrheit sagte. Und in dem Moment war ein Teil des Grolls, den er immer gegen Conner gehegt hatte, verschwunden.
„Wie alt bist du jetzt, Junge?“
Melvin überlegte, ob er antworten sollte, aber er konnte keinen Grund erkennen, was es schaden könnte. „Zweiundzwanzig.“
Jennings’ Gesicht lief rot an. „Sie haben nicht viel Zeit verloren, oder? Dein Mistkerl von einem Vater hat sie nicht nur entführt, sondern auch fast sofort geschwängert. Wahrscheinlich hat er sie vergewaltigt! Meine arme Melody.“ Ein Geräusch fast wie ein Schluchzen drang aus Jennings’ Kehle.
Melvin ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist nicht wahr! Meine Eltern haben sich geliebt. Und meine Mutter hat mich geliebt.“ Den letzten Satz flüsterte er fast.
Höhnisch grinste Jennings ihn an. „Und wer hat dir das erzählt? Dein ach so wahrheitsliebender Vater, der es nötig hatte, eine Frau zu stehlen, die einem anderen gehörte?“
„Nein, auch meine Großeltern und alle anderen, die die beiden zusammen erlebt haben.“
Jennings machte eine wegwerfende Handbewegung. „Deine richtigen Großeltern, die Eltern deiner Mutter, hätten dir auch versichert, dass Melody nur mich liebte. Die Frage ist, wem du
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