Ghostwalker 03.5
um einen Windschutz zu errichten. Zufrieden mit dem kleinen Unterschlupf hockte sie sich wieder neben den Fremden und kämmte ihm die Haare. Langsam entwirrte sie Strähne um Strähne und flocht sie anschließend zu einem Zopf, den sie mit einem ihrer Haarbänder sicherte. Die Farbe seiner Haare faszinierte sie, ein tiefes, fast bläuliches Schwarz, wie sie es bisher noch nie aus der Nähe gesehen hatte. Nur zögernd ließ sie den Zopf los, aber es wurde Zeit, dass auch sie schlief. Noch immer liefen Schauder durch seinen Körper, und so legte sie sich dicht neben ihn, um ihre Körperwärme mit ihm zu teilen. Nach einiger Zeit ließ sein Zittern nach. Zufrieden schloss sie die Augen und glitt in den Schlaf hinüber.
Langsam wurde sich Tenaya seiner Umgebung bewusst. Sein Gesicht und Körper fühlten sich warm an, seine Nase berührte etwas Weiches, das nach Natur roch.
Seine Augenlider hoben sich, und er blinzelte, bis er klar sehen konnte. Sein Kopf war auf einen Mooshaufen gebettet, und sein ganzer Körper wurde von einer kleinen Mauer aus Moos und Blättern geschützt. Kein Wunder, dass ihm warm war, obwohl er nackt auf dem Waldboden lag. Nackt? Tenaya richtete sich vorsichtig auf und sah an sich herunter. Tatsächlich, er trug keinerlei Kleidung.
Nach einigem Suchen fand er seine Sachen auf einem Busch in der Nähe. Er rieb sich über die Stirn und versuchte, sich daran zu erinnern, was passiert war. Seine Finger ertasteten den Zopf, und er betrachtete erstaunt das dünne Lederband, das ihn zusammenhielt. Bilder tauchten aus Tenayas Erinnerung auf, wie sein Vater auf ihn eindrosch, er schließlich brach und sich wehrte, wie er in den Fluss stürzte und am anderen Ufer wieder aufwachte. Sein Engel!
Doch als er sich umsah, stellte er fest, dass er allein war. Enttäuscht ließ er sich zurücksinken. Ein dumpfes Pochen in seinem Rücken erinnerte ihn daran, warum er nach der Rettung weitergekrochen war. Glücklicherweise hatte der schlimmste Schmerz nachgelassen, sodass er sich wieder bewegen konnte. Doch was war mit ihm passiert? Ganz sicher hatte er nicht selbst ein Bett aus Moos gebaut und sich ausgezogen. Er glaubte, sich an goldbraune Augen und blonde Haare erinnern zu können, und sanfte Hände, die über seinen Körper strichen.
Oder war das nur ein Traum gewesen? Jedenfalls war sein Engel jetzt verschwunden, und er spürte eine seltsame Enttäuschung darüber.
Tenaya blickte zur Sonne hinauf. Es musste bereits ein Tag vergangen sein, und seine Mutter würde sich Sorgen um ihn machen. Er konnte nicht mehr zu Haus zusammen mit seinem Vater leben, das war ihm klar geworden, aber er musste versuchen, seine Mutter dazu zu bringen, ihren Mann zu verlassen. Doch das wäre wahrscheinlich ein aussichtsloses Unterfangen, denn sie liebte Howi trotz seiner Fehler. Sein Herz wurde schwer bei dem Gedanken, sich von Malila zu verabschieden, aber es musste sein. Es wurde Zeit, dass er sein eigenes Leben begann, weit weg von seiner Vergangenheit. Tenaya zog sich an und verließ seufzend diesen friedvollen Ort.
Hazel folgte ihm in einiger Entfernung, um sicherzugehen, dass ihm nichts geschah. Zumindest versuchte sie sich das einzureden, um sich nicht einzugestehen, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Was ziemlich dumm war, denn wenn er in seine Welt zurückkehrte, würde sie ihn ohnehin nie wiedersehen.
Zumal sie auch selbst in einigen Tagen wieder zu ihrer Gruppe zurückkehren musste. Ihre Eltern machten sich bestimmt schon Sorgen um sie. Doch sie hatte darauf bestanden, eine Weile allein durch die Wälder ziehen zu können, bevor sie sich einen Gefährten nahm. Aber mit einem Mal reizte sie keiner der jungen Männer in ihrem Lager mehr. Stattdessen wünschte sie sich, sie könnte den Fremden wenigstens einmal küssen, seine Lippen auf ihren fühlen, doch sie traute sich nicht, sich ihm noch einmal zu zeigen. So folgte sie ihm heimlich bis an den Rand des Waldes, während er weiter zu einer Hütte ging. Er näherte sich ihr nicht offen, sondern schlich darauf zu, als wollte er nicht, dass die Bewohner ihn sahen.
Sie hielt den Atem an, als er in ein Fenster blickte und schließlich jemandem im Innern ein Zeichen gab. Also war er kein Einbrecher. Aber vielleicht hatte er eine Freundin? Dieser Gedanke gefiel ihr noch weniger. Bevor sie weiter rätseln konnte, öffnete sich die Tür und eine etwa vierzigjährige Frau eilte heraus, ein Geschirrtuch in den Händen. Sie schloss ihn in die Arme.
"Ich habe mir solche
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