Gib mir Menschen
funktionstüchtiges Gehirn in einem irreparablen Körper. Das Euthanasie-Gesetz soll zur Anwendung kommen, aber darf man der Welt die beste Kameradin nehmen? Und so wird gesorgt, daß Mo weiterhin Blumen pflücken kann. Ihr Geist lebt weiter in einem mächtigen Truppentransporter. Der stählerne Koloß ist zu ihrem Körper geworden, die technischen Geräte sind ihre Eingeweide und ihr Nervensystem. Gesteuert wird diese ausgeklügelte Maschinerie aber von ihrem Gehirn. Mo ist der Motor der Truppe. Mo ist das Herz der Soldaten. Und so kann sie in Gedanken wieder über Wiesen schreiten und Blumen pflücken. Sie braucht in ihrem Leben nichts anderes mehr als das zu tun. Mo weiß nicht, daß die Blumen, die sie von nun an pflückt, eigentlich Menschen sind.
Und weiter geht die phantastische Reise, von einem Schauplatz zum anderen, die in rasender Folge wechseln, bis mich die wilde Horde in ein finsteres Vakuum entläßt und mich das Gefühl von Körperlosigkeit befällt. Und auf einmal erkenne ich, was mich gefangengenommen hat. Es ist …
DER TIEFGEKÜHLTE ALPTRAUM
Ich bin ein Verdammter, rettungslos verloren.
Dabei hatte ich eine gute Chance, und es ist alles glatt gegangen. Es gab keine Pannen und Probleme, weder technischer noch wissenschaftlicher Natur, die nicht hätten behoben werden können. Dennoch befinde ich mich in dieser fatalen Lage. Aber mit einer solchen Entwicklung konnte auch wirklich niemand rechnen.
Natürlich war ich von Anfang an skeptisch, obwohl Dr. Benkser mir versicherte, daß Komplikationen ausgeschlossen seien, weil er und die »Gesellschaft für Gefrierbiologische Unsterblichkeit«, kurz GGUN genannt, eine idiotensichere Methode anwendeten. Ich war nicht so leichtgläubig, mich allein auf die Ergebnisse der unzähligen Tierversuche zu verlassen. Den Ausschlag für meinen Entschluß gab erst die Tatsache, daß in Dr. Benksers »Unsterblichkeitszentrum« bereits ein halbes Dutzend namhafter Leute eingefroren waren. Darunter ein verdienstvoller General a. D., die Filmschauspielerin Armanda O’Henry und der »Hammelkönig« Vukovic, der vom Balkan aus eine Restaurantkette über ganz Europa aufgezogen hatte. Ich war also in guter Gesellschaft und könnte mich als das siebte Opfer bezeichnen.
Blöder Witz. Dabei ist mir gar nicht zum Scherzen zumute. Ich bin wach, aber ich sehe und höre nichts. Ich kann nicht riechen und nicht schmecken. Mich nicht bewegen. Ich bin nur Gehirn. Das Gehirn arbeitet, meine Gedanken sind wach. Das ist mein Übel.
Das ist schon eine ganze Ewigkeit lang so. Bevor ich mich auf diese Sache einließ, hat Dr. Benkser mich gewarnt. Er machte mich darauf aufmerksam, daß mein Denkprozeß auch während des Kälteschlafs weitergehen würde. Und er hat in diesem Zusammenhang freimütig zugegeben, daß er die psychische Seite des Problems als schlimmsten Nachteil erachte. Er sagte wörtlich – und ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich mich an alles aus dieser Zeit erinnere, als sei es erst gestern gewesen, dabei liegt es schon viele Jahre zurück – Dr. Benkser sagte also:
»Sie werden vielleicht zehn oder zwanzig Jahre tiefgekühlt sein, vielleicht auch länger. Wer kann heute schon sagen, wann Ihre Krankheit einmal heilbar sein wird? Und ehrlich, ich beneide Sie nicht darum, immerfort denken zu müssen, ohne die Möglichkeit, sich mitteilen zu können. Das muß schlimm sein. Und dann kommt noch etwas dazu, was möglich noch schwerer wiegt. Es ist anzunehmen, daß Sie das Gefühl haben werden, einen Körper zu besitzen, wie man es von Beinamputierten weiß, die Jahre später noch unter dem Eindruck stehen, Schmerz in der verlorenen Extremität zu verspüren. Phantomschmerz nennt man das. Bei Ihnen betrifft es aber den ganzen Körper. Überlegen Sie es sich noch einmal gut, bevor Sie diesen Schritt wagen.«
»Wollen Sie mein Geld nicht?« habe ich ihn gefragt.
»Das können wir wohl gebrauchen. Der Unterhalt unseres Tiefkühlzentrums ist teuer, die Experimente verschlingen Unsummen. Wir forschen immer weiter, um unsere Station auf dem neuesten Stand zu halten und den Konkurrenzunternehmen immer einen Schritt voraus zu sein. Und je mehr Mutige wie Sie sich uns anvertrauen, desto schneller können wir unsere Methode verfeinern. Das wiederum kommt auch Ihnen und den anderen Tief schläfern zugute und erhöht die Erfolgschancen. Aber ich will fair sein und Ihnen die Nachteile nicht verschweigen. Die psychische Komponente ist einer davon.«
»Welche
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