Gibraltar
über die Unternehmen hinaus. Der Ansatz war, wenn du so willst, globaler.«
»Das kann alles bedeuten.«
»Ja, das kann es. Tut es aber nicht. Wir sprechen darüber, was jeder Einzelne tun kann. Und mehr noch: was jeder schon tut. Jeder Einzelne von uns.«
»Und was tut jeder Einzelne?«
»Siehst du, ich bin in dem Geist aufgewachsen, dass man nur dann etwas wert ist, wenn man etwas leistet.«
»Ja, ich auch. Wie du weißt.«
»Ich stehe dazu.«
»Ich glaube aber trotzdem nicht daran.«
»Ob du daran glaubst oder nicht, die Tat macht den Mann.«
»Was ist das denn jetzt für ein Spruch?«
»Die Frau natürlich auch. – Kennst du Adam Smith? Die unsichtbare Hand?
»Ich studiere Ökonomie, Papa.«
»Dann erzähl mal, worum es geht.«
»Ich studiere zwar Ökonomie, aber ich bin nicht deine Schülerin, okay?«
»Ich warte.«
»Weil du es bist. Im Mittelpunkt steht die Behauptung, dass dadurch, dass die Wirtschaft ihren geschäftlichen Interessen nachgeht, am Ende auch für das Gemeinwohl etwas herausspringt. So ungefähr.«
»Im Wortlaut heißt es im Wealth of Nations : ›Indem der Unternehmer seine eigenen Interessen verfolgt, fördert er oft diejenigen der Gesellschaft auf wirksamere Weise, als wenn er tatsächlich beabsichtigt, sie zu fördern.‹«
»Ich nehme an, dass du mit dieser Zurschaustellung deines Wissens einen bestimmten Zweck verfolgst.«
»Stimmt genau. Sieh her, du bist eine kultivierte, gebildete junge Frau. Das bist du unter anderem deshalb, weil du in einer kultivierten und gebildeten Familie aufgewachsen bist. Es gibt keine materielle Not, die Umgangsformen sind –«
»Sag jetzt nichts Falsches.«
»Du kannst sagen, was du willst, Stefanie, die Umgangsformen sind vorzeigbar, auch wenn ich weiß, auf welche Debatte ich mich jetzt nicht mit dir einlassen werde.«
»Schade.«
»Du gehst auf eine erstklassige Schule, erlangst gute Noten und absolvierst ein Studium. Dank der Kontakte deiner Eltern kannst du früh Praktika in führenden Unternehmen machen und Erfahrungen sammeln.«
»Vorausgesetzt, ich möchte Erfahrungen in führenden Unternehmen sammeln.«
»Warum solltest du das nicht wollen?«
»Da würden mir schon ein paar Gründe …«
»Spielt keine Rolle, unterbrich mich nicht. Du beendest dein Studium mit Bestnote und steigst in eine angesehene Firma ein. Dort verbesserst du deine Kompetenzen, knüpfst wertvolle soziale Kontakte und bist nach wenigen Jahren in einer führenden Position. Durch die Werte, die du schon in deinem Elternhaus erfahren hast – Respekt, Leistung, Disziplin, Fairness –«
»Hm-hm.«
»Unterbrich mich nicht, hab ich gesagt. Durch diese Werte bist du für die Mitarbeiter ein Vorbild und motivierst sie dazu, sich mit ihrer Arbeit zu identifizieren und durch ihre Leistungsbereitschaft deinem Unternehmen zu noch mehr Erfolg zu verhelfen.«
»Ich warte noch auf die Stelle, wo das Gemeinwohl ins Spiel kommt.«
»Das Gemeinwohl ist schon die ganze Zeit im Spiel. Deine Familie unterstützt soziale Einrichtungen, entscheidet sich bei ihren Einkäufen bewusst für Qualität und faire Preise und unterstützt einheimische Produzenten. Diese Politik setzt sich auf Unternehmensebene fort. Das Unternehmen zahlt Gewerbe-, Umsatz- und Mehrwertsteuer, und zwar desto mehr, je mehr es erwirtschaftet. Das Gros der staatlichen Mittel wird nicht durch Lohnempfänger erwirtschaftet, sondern durch die Abgaben großer, erfolgreicher Unternehmen, die ihren Standort im eigenen Land haben und dort ordentlich ihre Steuern abführen.«
»Wenn du weiter redest wie ein FDP -Wahlkampfplakat, muss ich leider einschlafen.«
»Ich möchte nicht, dass du so mit deinem Vater redest, auch wenn wir beide beschwipst sind.«
»Du bist beschwipst, ich bin völlig nüchtern.«
»Umso schlimmer. Du hast mich in meinem Gedankengang unterbrochen. Wahlkampf … FDP …«
»Die Unternehmen zahlen Steuern …«
»Richtig, das ist der entscheidende Punkt: Die Unternehmen sind es, die durch ihren Gewinn den gesellschaftlichen Reichtum mehren. Mit den Abgaben werden Schulen, Krankenhäuser und die Grundsicherung finanziert –«
»Genau, und die Brunnen in Afrika werden auch von dem Geld gebaut.«
»Siehst du, jetzt klingst du wie dein Bruder. An exakt diesem Punkt komme ich mit ihm nicht weiter. Nur dass er sofort unverschämt wird.«
»Er hat nicht ganz unrecht, oder?«
»Unrecht womit? Dass die Entwicklungshilfe aus Steuermitteln finanziert wird?«
»Dass
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