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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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wüsste.«
    »Ich wollte mich nur vergewissern.«
    »Also was willst du jetzt von mir wissen?«
    »Warum du glaubst, dass sich die Leute deine Sammlung ansehen sollten?«
    »Schon besser, aber immer noch nicht richtig. Ich spekuliere nicht.«
    »Ausgerechnet du sagst das?«
    »Ja. Warum denn nicht?«
    »Du bist … ein Banker.«
    »Das hat damit nichts zu tun. Wenn es um Geldanlagen geht, erwarten alle Menschen das Gleiche. Sie wollen die größtmögliche Rendite. Das hat nichts mit Spekulation zu tun. Aber wer könnte sagen, was die Menschen von Kunst erwarten?«
    »Du musst eben gut raten.«
    »Das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe kein Produkt erfunden. Ich buhle nicht um Käufer.«
    »Sondern?«
    »Ich zeige nur die Werke, die mir etwas bedeuten. Aus den unterschiedlichen Gründen etwas bedeuten, wie ich hinzufügen möchte. Die Apokalypse bei Ludwig Meidner, der Irrsinn bei Otto Dix oder Gert Wollheim. Man kann das nicht ungerührt ansehen. Niemand kann das. In der Kunst kommt am reinsten zum Ausdruck, dass wir mit dem Tod all das verlieren werden, was wir ohnehin nie besessen haben.«
    »Das hast du aus einem Katalogtext.«
    »Sicher. Aber den Druck habe ich bezahlt.«
    »Ziemlich niederschmetternder Gedanke für einen Kapitalisten, oder nicht?«
    »Überhaupt nicht. Besitz ist schön und gut, aber auch ein Kapitalist weiß, dass er flüchtig ist. Trügerisch. Ich sehe die Bilder auch nicht als meinen Besitz an. Ich habe immer gern Dinge zusammengeführt. Kräfte, Talente. Meine Sammlung ist etwas, das seinen Zusammenhalt aus sich heraus schafft, und damit auch seinen Wert.«
    »Aber Wert ist etwas Abstraktes. Außerdem ist er subjektiv: Jeder Betrachter kann nur für sich selbst entscheiden, welchen ästhetischen Wert deine Sammlung für ihn hat. Deswegen finde ich es wichtig, dem Kunden ein Argument zu liefern. Ihn neugierig zu machen. Ihn zu verführen.«
    »Es geht mir nicht darum, dass möglichst viele Leute meine Sammlung sehen. Es geht nicht um Profit.«
    »Das habe ich auch nicht gesagt. Trotzdem kann man doch wollen, dass viele Leute kommen.«
    »Warum?«
    »Warum? Ich weiß nicht. Mir wäre das wichtig. Ich habe mir mit etwas Mühe gegeben, also freue ich mich über Anerkennung.«
    »Willst du auch noch etwas Wein?«
    »Nein. Ich will keinen Wein. Kannst du antworten?«
    »Antworten worauf? Du hast keine Frage gestellt.«
    »Freust du dich nicht über Anerkennung?«
    »Ich freue mich über Anerkennung, aber ich halte sie nicht für lebenswichtig. Außerdem ist sie meistens unecht. Werd mal Chef von irgendwas, dann wirst du das merken.«
    »Ich bin Tutorin und Vorstand unseres Debattierclubs.«
    »Siehst du, dann weißt du, wovon ich spreche. Du lobst deine Leute, weil du willst, dass sie motiviert bleiben. Wenn sie dich loben, wollen sie dir damit eigentlich sagen, dass du sie bei der nächsten Prämienzahlung nicht vergessen sollst.«
    »Es ist nicht immer nur Berechnung. Nicht ausschließlich.«
    »Richtig. Meine Ausstellung ist es zum Beispiel nicht.«
    »Freundschaft auch nicht. Oder Liebe.«
    »Meine liebe Stefanie, du wirst deinen alten Vater nicht so weit kriegen, tief in der Nacht am Küchentisch über Freundschaft und Liebe zu sprechen.«
    »Es ist noch nicht mal zwölf.«
    »Aber alle anderen sind schon im Bett. Außerdem haben wir viel Wein getrunken.«
    »Du. Du hast viel Wein getrunken.«
    »Genau. Und ich trinke noch mehr.«
    »Willst du vergessen?«
    »Was? Nein. Ich bin nur froh, dass du da bist. Morgen ist Feiertag.«
    »Wir haben uns lange nicht unterhalten. Nicht so.«
    »Also was war es, was du mich fragen wolltest? Vorhin?«
    »Das … ach so. Glaubst du nicht an Freundschaft und Liebe?«
    »Da bin ich dir doch gerade schon ausgewichen. Deine Frage nach meiner Ausstellung.«
    »Ach so. Ich weiß nicht mehr.«
    »Gut, aber ich. Es ist das Gefühl, etwas zurückzugeben. Etwas mit den Menschen zu teilen. Schönheit. Ich glaube, das ist unsere wahre Aufgabe in der Gesellschaft.«
    »Was meinst du mit ›unsere‹?«
    »Die der Unternehmer.«
    »Machst du deswegen bei diesem Zirkel mit?«
    »Ja. Unter anderem.«
    »Okay, und worum geht es dabei? Ist das so ne Art Geheimloge?«
    »Wir treffen uns zweimal im Jahr im Adlon. Unternehmer, Bankiers, Verlagsleute, Akademiker. Losgegangen ist das in den Siebzigern, mein Vater gehörte zu der Gründungsgruppe. Am Anfang ging es um unternehmerischen Kodex. Um die Frage, was gute Unternehmensführung ist. Aber später ging unsere Konzeption

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