Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
Lippen feucht und offen stehend. Das blond gebleichte Haar zeigte dunkle Wurzeln. Auch sie trug ein langes, gemustertes Baumwollkleid.
»Wer denn?«, fragte sie. Die wässrigen blauen Augen musterten Gideon und Fordyce verständnislos.
Lockhart zeigte auf Gideon. »Der da.«
»Den habe ich noch nie ges–«
Aber Fordyce wartete nicht, bis sie den Satz zu Ende gesprochen hatte. Er griff sich ans Schienbein und zückte seinen Ausweis und die Papiere, während Gideon zu Rust trat und sie am Arm ergriff.
»Stone Fordyce«, sagte der FBI-Agent schroff und riss sich die Perücke vom Kopf. »FBI. Wir haben eine richterliche Anordnung sowie eine Zeugenvorladung unter Strafandrohung für Connie Rust und nehmen sie hiermit in Gewahrsam.« Er warf die Papiere auf Lockharts Schreibtisch. »Wir gehen jetzt. Jeder Versuch, uns daran zu hindern, wird als Behinderung der Justiz betrachtet und streng bestraft.«
Wie vom Donner gerührt starrte Lockhart sie an. Sie stürmten zur Tür hinaus. Gideon zerrte die völlig verwirrte Frau mit sich, die allerdings keine Gegenwehr leistete.
»Was zum Teufel?«, rief Lockhart ihnen hinterher. »Lasst sie nicht entkommen!« Als sie die Treppe hinunterrannten, hörte Gideon, wie Lockhart in sein Walkie-Talkie schrie.
Im Nu waren sie zur Haustür hinaus und rannten die unbefestigte Straße hinunter. Da begann Rust zu schreien, ein hoher, schriller Schrei voller Verwirrung und Entsetzen. Aber die Frau wehrte sich nicht; sie war so passiv, dass sie fast so schlaff wie eine Puppe war.
»Weiter, weiter«, drängte Fordyce. »Wir haben’s fast geschafft.«
Als sie um die Kurve bogen und die große Scheune passierten, stellten sie allerdings fest, dass sie es keineswegs fast geschafft hatten. Die Mitglieder der Kommune, die vorhin mit den Rindern gearbeitet hatten, strömten auf die Straße und blockierten sie. Viele hielten lange Stachelstöcke zum Viehtreiben in Händen. Gideon zählte sieben Männer.
»Bundesagenten mit einer richterlichen Anordnung!«, rief Fordyce mit dröhnender Stimme. »Mischen Sie sich nicht ein! Machen Sie den Weg frei!«
Aber die Männer gaben den Weg nicht frei. Stattdessen begannen sie, mit erhobenen Stachelstöcken vorzurücken.
»O nein.« Gideon ging langsamer.
»Gehen Sie weiter. Vielleicht bluffen sie nur.«
Gideon zerrte Rust hinter sich her, Fordyce machte die Vorhut.
»FBI in dienstlichem Auftrag!«, dröhnte Fordyce und hielt dabei seine Dienstmarke ausgestreckt.
Seine unbeirrbare Entschlossenheit verlangsamte das Vorrücken der Cowboys und ließ sie zögern. Doch dann schienen Rusts schrille Schreie sie wieder zu stärken.
Die gegnerischen Gruppen standen sich jetzt fast direkt gegenüber. »Zurück!«, rief Fordyce. »Oder Sie werden alle festgenommen und wegen Behinderung der Justiz belangt!«
Aber anstatt zurückzuweichen, setzten die Cowboys ihren Vormarsch fort. Der Anführer griff Fordyce mit seinem elektrischen Stachelstock an. Der FBI-Agent konnte ausweichen, aber der zweite Stachelstock erwischte ihn in der Seite. Elektrizität knisterte, und er ging mit einem Aufschrei zu Boden.
Gideon ließ Rust los, die schluchzend zu Boden sank, und ergriff eine Schaufel, die an der Scheunenwand lehnte. Er sprang vor und schlug dem zweiten Mann mit der Schaufel den Stachelstock aus der Hand. Er landete im Dreck, und Gideon hieb dem Mann die Schaufel in die Seite. Der Getroffene stürzte zu Boden und hielt sich den Bauch. Gideon ließ die Schaufel fallen, schnappte sich den elektrischen Stachelstock und stellte sich dem Rest der Meute, die sogleich mit einem kollektiven Aufbrüllen vorwärtsstürzte, mit den Stachelstöcken fuchtelnd, als wären es Schwerter.
23
S chwerter. Dank eines reizenden Mädchens mit gewissen säbelrasselnden Neigungen hatte Gideon früher in der Schule kurz das Fach »Fechten« belegt. Als das Mädchen aufhörte, hatte auch er den Fechtunterricht aufgegeben, bevor er bedeutende Fortschritte gemacht hatte. Rückblickend betrachtet, war das vermutlich ein Fehler gewesen.
Die Männer umkreisten ihn wachsam, und Gideon suchte Rückendeckung an der Scheunenwand. Er sah, dass Fordyce noch auf dem Boden lag und sich bemühte, wieder auf die Beine zu kommen. Einer der Männer versetzte ihm einen Fußtritt in die Seite, und er fiel wieder hin.
Das machte Gideon so richtig wütend. Er stürzte sich auf den nächstbesten Cowboy, berührte ihn mit dem Stachelstock und betätigte den Kippschalter. Aufheulend vor Schmerz, ging der
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