Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
Kinder.«
Wieder Stille.
»Lass doch die Kinder frei. Schick sie raus zu mir. Du hast dann trotzdem noch zwei Geiseln.«
Das lange Schweigen dehnte sich, und dann sah man plötzlich eine jähe Bewegung, hörte einen gellenden Schrei, und eines der Kinder erschien im Türrahmen – der Junge. Ein kleiner Junge mit dichtem braunem Haar, er trug ein I LOVE MY GRANDMA-T-Shirt und machte, am ganzen Leib zitternd vor Angst, einen Schritt ins Freie.
Einen Augenblick lang glaubte Gideon, dass Chalker die Kinder freilassen wollte. Doch als er den vernickelten 45er sah, der gegen den Hals des Jungen gedrückt war, war ihm klar, dass er sich getäuscht hatte.
»Sehen Sie das! Ich mache keine Witze! Stoppen Sie die Strahlen, oder ich bringe den Jungen um! Ich zähle bis zehn! Eins, zwei …«
Die Mutter schrie hysterisch im Hintergrund. »Nicht, bitte nicht!«
»Halt’s Maul, verlogenes Miststück, das sind nicht mal deine Kinder!« Chalker drehte sich um und gab einen Schuss in die Dunkelheit im Haus hinter sich ab. Das Schreien der Frau brach jählings ab.
Mit einer entschlossenen Bewegung trat Gideon aus dem schusssicheren Unterstand und ging auf die offene Fläche vor dem Haus zu. Er hörte Rufe, Polizisten, die ihm hinterherschrien – zurück, runter, der Mann ist bewaffnet –, aber er ging weiter, bis er knapp fünfzig Meter von der Haustür entfernt stehen blieb.
»Was zum Teufel machen Sie da? Treten Sie zurück hinter die Barriere, er wird Sie abknallen!«, schrie Hammersmith durch den Ohrhörer.
Gideon zog den Hörer aus dem Ohr und hielt ihn hoch. »Reed? Siehst du das hier? Du hattest recht. Die haben mir gesagt, was ich sagen soll.« Er warf den Ohrhörer auf den Asphalt. »Aber jetzt nicht mehr. Von jetzt an reden wir offen und ehrlich.«
»Drei, vier, fünf …«
»Warte, um Gottes willen, bitte. « Gideon sprach laut. »Er ist doch noch ein Kind. Hör doch, wie er schreit. Glaubst du, er täuscht das nur vor?«
»Schnauze!«, schrie Chalker den Jungen an – worauf der erstaunlicherweise zu weinen aufhörte. Er stand da, zitternd und blass, seine Lippen bebten. »Mein Kopf!«, schrie Chalker. »Mein …«
»Weißt du noch, wie diese Schülergruppen kamen, um sich das Labor anzusehen?«, sagte Gideon und bemühte sich dabei, ganz ruhig zu klingen. »Du hast diese Kinder doch gemocht, du fandest es toll, ihnen alles zu zeigen. Und die Kinder fanden dich toll. Nicht mich. Nicht die anderen. Sondern dich. Weißt du das noch, Reed?«
»Ich verbrenne!«, rief Chalker. »Die haben wieder die Strahlen eingeschaltet. Ich bring den Jungen um, aber seinen Tod wirst du auf dem Gewissen haben, nicht ich! Hast du mich VERSTANDEN? SIEBEN, ACHT …«
»Lass den armen Jungen gehen«, sagte Gideon und trat einen weiteren Schritt vor. Es jagte ihm ungeheure Angst ein, dass Chalker nicht mal mehr richtig zählen konnte. »Lass ihn gehen. Du kannst stattdessen mich nehmen.«
Mit einer brüsken Bewegung drehte sich Chalker um und richtete seine Waffe auf Gideon. »Geh zurück, du bist einer von denen!«
Gideon streckte die Arme fast flehentlich in Richtung Chalker aus. »Glaubst du wirklich, ich gehöre zu den Verschwörern? Dann schieß doch. Aber bitte, bitte, lass den Jungen frei.«
»Du hast es so gewollt!« Chalker schoss.
4
U nd verfehlte sein Ziel.
Gideon ließ sich auf den Asphalt fallen. Und jetzt klopfte sein Herz plötzlich so heftig, als schlüge es direkt gegen seine Rippen. Er kniff die Augen fest zusammen und wartete auf den nächsten Schuss, einen glühenden Schmerz und darauf, dass ringsum alles schwarz würde.
Doch der zweite Schuss blieb aus. Gideon hörte lautes Stimmengewirr und Gekrächze aus dem Megaphon. Langsam, ganz langsam öffnete er die Augen und blickte zum Haus. Da stand Chalker, kaum zu sehen in der Türöffnung, er hielt den Jungen vor sich fest. An der Art, wie der Mann die Waffe hielt, an seinen zitternden Händen und seiner ganzen Haltung ließ sich ablesen, dass er überhaupt keine Erfahrung mit Waffen hatte. Und die Distanz betrug fünfzig Meter.
»Das ist ein gemeiner Trick!«, kreischte Chalker. »Du bist nicht mal Gideon! Du sollst mich reinlegen!«
Gideon stand langsam auf und hielt die Hände so, dass Chalker sie sehen konnte. Sein Herz wollte immer noch nicht langsamer schlagen. »Reed, lass uns doch einfach den Tausch vornehmen. Nimm mich. Lass den kleinen Jungen frei.«
»Sag denen, sie sollen die Strahlen abschalten!«
Streiten Sie nicht mit ihm wegen
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