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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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einzulassen.
    Sie zog die Jacke aus. Sie sprach nicht. Keine Erklärungen, keine Rechtfertigungen, kein ›Sind Sie überrascht?‹ oder eine andere Eröffnung, die er erwartet hätte.
    Aber als sie neben ihn trat, um die Jacke über einen Stuhl zu hängen, streifte ihn ihr Arm. Er spannte seine Muskeln an. Sie sagte in das Schweigen: »Zwei Dinge. Erstens, ich habe Geld unterschlagen.«
    Er nickte.
    »Um einen Buchmacher auszuzahlen«, sagte sie. »Ich muß das Geld zurückzahlen, bevor ich auffliege. Zweitens, ich könnte ein paar Polaroids vom Grundriß und der Alarmanlage machen, wenn das hilft.«
    Wyatt überdachte die Möglichkeiten. Vielleicht war sie darauf aus, daß er ihr vertraute. Oder sie wollte wissen, ob sie ihm vertrauen konnte. Oder für sie war alles nur ein Spiel.
    »Photos wären hilfreich«, sagte er. »Machen Sie sie morgen. Ich werde mit Ihnen in Kontakt bleiben.«
    Sie sah ihn ironisch an. »Sie bleiben in Kontakt.«
    Er nickte und unterdrückte ein Grinsen. »Und wegen des Geldes, daß Sie unterschlagen haben«, sagte er, »haben Sie mal gerade eben entschieden, Max zu bitten, einen Safe für Sie zu knacken.«
    »So plump war es nun auch wieder nicht. Eines Tages sprach ich mit ihm über seine Kaution, und er sagte mir, ich würde meine Zeit verschwenden. Er sagte, er gehe davon aus, früher oder später wieder im Gefängnis zu landen.«
    »Das hat Ihre Phantasie angeregt.«
    Sie lächelte. »Ein paar Tage lang habe ich nichts gesagt. Er machte nicht den Eindruck eines Idioten, aber ich war mir nicht sicher, also kreiste ich allmählich den Kern der Sache ein, um zu sehen, wie er reagierte.«
    »Was hat er gesagt, als Sie schließlich damit herausrückten?«
    Sie zuckte die Achseln. »Er schien nicht überrascht zu sein. Ich war eben auch eine Kriminelle; und das war nur ein weiterer Job.«
    Nun schwiegen sie. Sie hatten die Zeit nicht mit Small-Talk vertan, aber Wyatt wollte mehr wissen. Nach einer Weile sagte er: »Wie kommt es, daß Sie Finns Partnerin sind?«
    »Er kannte meinen Vater aus Brisbane. Als ich hierherkam, hat er mich in die Kanzlei aufgenommen.«
    Sie schaute leicht beunruhigt in sein Gesicht, und dem entnahm er, daß sie unglücklich war. Schönheit zieht schlechte Angebote an, dachte er, und sie hat einige davon angenommen. Plötzlich sagte er: »Finn hat erwartet, daß Sie mit ihm ins Bett gehen.«
    »Na ja«, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch. Sie wurde wieder ernst, verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Zuerst war es mir egal. Ich war jung, er gab mir eine Chance, er kann sehr bezwingend sein. Später hörte er damit auf, aber er schaut mich immer noch an, als könne er zugreifen, wann immer er wollte.«
    Wyatt blieb stumm, wartete darauf, daß sie weitersprach. Sie hob den Kopf. »Er hat beim Börsencrash 87 viel Geld verloren. Nach einer Weile habe ich dann bemerkt, daß er krumme Dinger dreht. Es fing an mit den Schwarzgeldern bei den Planungsvorhaben – es gab viele kleine Hinweise – zum Beispiel hat er jeden Monat das Haus und die Telefonanlage nach Wanzen absuchen lassen. Uns sagte er, es sei die Wartung von der Telecom.«
    »Wie haben Sie von der Übergabe am Freitag erfahren?«
    »Er ist immer sehr sorgfältig, aber ich höre hier etwas und reime mir den Rest zusammen. Einiges an seiner Arbeit bezüglich der Berufung gegen Baupläne ist korrekt, aber vieles ist nur Manipulation – Strohmänner, die Einspruch erheben, aufgeblasene Honorare, alles bringt ihm riesige Mengen an Schwarzgeld ein. Wenn ihm etwas Großes gelingt, prahlt er gern damit.«
    »Seine Art von Anmache«, sagte Wyatt.
    Ihre Augen waren groß, und wenn sie lächelte, schienen sie breiter zu werden, etwas nach oben zu wandern. Sie streckte ihren Arm aus und streifte wieder seine Brust, tat so, als hätte sie es nicht getan. »Unten habe ich über Sie nachgedacht. Die meisten Leute, die nicht ehrlich sind, werden irgendwann übervorsichtig und mißtrauisch. Ich glaube, mit Ihnen ist es genau andersherum.«
    »So?«
    »Lassen Sie uns hoffen, daß das bedeutet, daß Sie weniger zu Fehlern neigen.«
    Wenn man für gewöhnlich begann, ihn zu analysieren, zu versuchen, ihn zu verstehen, war es Zeit zu verschwinden. Aber es gab noch Lücken in diesem Job, und es konnte sein, daß er etwas herausfand. Außerdem brachte sie ihn dazu, sich lebendig und wohl zu fühlen. Ihre Fingerknöchel streiften wieder seine Brust, und er wich nicht aus. »Sie können es sich leisten, sich Ihre Jobs

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