Gier
in Erinnerung hatte. Vielleicht hatte er wie viele Ex-Knackis im Gefängnis seinen Körper trainiert und seitdem in Schuß gehalten.
»Bier? Scotch?« fragte Wyatt. Er selbst trank Tee.
»Hast du Wasser da? Mein Magen.«
Wyatt raffte sich auf. Er öffnete den kleinen Kühlschrank.
»Soda.«
»Das genügt«, sagte Pedersen.
Er streckte seinen Arm aus; Wyatt packte ihn und schob den Ärmel hoch bis zum Ellenbogen.
Pedersen zuckte zurück, zog den Ärmel wieder herunter.
»Was soll das, Wyatt. Das habe ich seit fünf Jahren hinter mir. Kalter Entzug. Und vom Suff bin ich auch weg.«
Wyatt hielt ihm die Sodaflasche hin. Pedersen nahm sie mit finsterer Miene. »Wo sind die anderen?« fragte er.
»Auf dem Weg.«
Pedersen leerte die kleine Sodaflasche. Wyatt sagte nichts, er war gespannt auf Pedersens Reaktion. Er selbst spürte nie den Druck langen Wartens oder großer Stille. Aber Pedersen machte ein angewidertes Gesicht, als wüßte er, daß er jetzt überzeugend klingen müsse. Er ist gerade aus dem Knast raus, dachte Wyatt, und wenn er jetzt schon wieder arbeitet, dann nur, weil er das Geld braucht oder sich beweisen will, daß seine Verhaftung nichts als Künstlerpech gewesen ist.
Pedersen sah ihn sauer an. »Du hast mich früh herbestellt.«
»Erzähl mir alles. Die Frau, das Geld, alles.«
»Sie weiß, daß das Geld da ist«, sagte Pedersen mit gelangweilter Stimme. »Sie kommt nicht ran, deswegen heuert sie einen Profi an.«
»Einen wie dich.«
»Ich bin gut, Wyatt. Hab Pech gehabt, das ist alles.«
Wyatt nickte. Es stimmte, daß Pedersen gut war. Und wie für viele andere fiel für ihn alles in die Kategorien Glück oder Pech. »Was mir keine Ruhe läßt: Wie kommt eine erstklassige Anwältin dazu, Seite an Seite mit einem Profi den Safe ihres Partners aufzubrechen?«
Pedersen zuckte die Achseln. »Mich überrascht gar nichts mehr.«
»Versuchs mal.«
Zum Zeichen seines Desinteresses atmete Pedersen tief aus.
»Sie macht nicht den Eindruck, als wenn sie einen Hang dazu hätte«, sagte er schließlich. »Ich würde sagen, das macht sie einmal und nie wieder.«
Es klopfte an der Tür. »Verdammt«, sagte Wyatt. Er stand auf, öffnete und ging einen Schritt zurück, als Hobba und Anna Reid den Raum betraten.
»Kühl draußen«, sagte Hobba, zog die Schultern hoch und rieb sich die Hände. Die Nähe und die Ausstrahlung von Anna Reid schienen ihn durcheinanderzubringen. Nachdem Hobba sie vorgestellt hatte, setzte er sich in einer Ecke des Zimmers auf einen Stuhl, der unter seiner mächtigen Erscheinung zu verschwinden drohte.
Wyatt übersah ihn, beobachtete Anna Reid. Sie musterte das Zimmer und nickte Pedersen kurz zu. Dann sah sie Wyatt ausdruckslos an, knöpfte dabei ihre mit breiten Schulterpolstern ausgestattete Lederjacke auf. Auf der Suche nach etwas zum Aufhängen drehte sie sich um, dabei schwang ihr schwarzes Haar und schimmerte im Licht. Sie roch nach Shampoo und parfumierter Seife, war groß, und Wyatt gewann den Eindruck von physischer und psychischer Beweglichkeit. Er sagte nichts, nahm ihr die Jacke ab, hängte sie über einen Stuhl. Sie nickte argwöhnisch und setzte sich auf die Bettkante, kam Pedersen aber nicht zu nahe.
Hobba öffnete seine Schachtel und kramte ein Pfefferminz hervor. »Möchte jemand? Anna?«
Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Spott und Ablehnung. Sie wandte sich an Wyatt. »Ich mußte einen Termin absagen, um hierher zu kommen. Ich weiß nichts über Sie, aber die sagen, Sie wären gut, es sieht also so aus, als hätte ich keine Wahl.« Sie zögerte. »Mein Einsatz ist gemacht, ich habe Ihnen einen Traumjob angeboten, jetzt sind Sie dran.«
Ihre Stimme war leise und tief, mit einem Anflug von Ungeduld, den Wyatt schon am Nachmittag bemerkt hatte. Vielleicht fing sie an, die Sache zu bedauern, maß ihn an seinen stillosen Partnern. Er sagte: »Erklären Sie mir den Job.«
»Haben Ihnen die anderen nichts gesagt?«
»Ich möchte es von Ihnen hören.«
Sie senkte ihre Stimme und sagte bitter. »Ich habe Probleme. Ich schulde jemandem viel Geld. Ich kann nicht zahlen, und er erpreßt mich.«
Wyatt beobachtete sie. Unter dem glatten Äußeren nahm er eine Nuance Verbitterung wahr. »Erzählen Sie mir von dem Geld«, sagte er. »Wir wollen keine Schecks.«
»Keine Sorge, es ist Bargeld«, sagte sie. »Es handelt sich nicht um die Art Geschäfte, die Finn durch die Bücher laufen läßt.«
»Aber dreihundertausend Dollar? Das ist eine Menge
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