Gier
Männer stiegen aus. Die Männer trugen Wollmützen – es war ein kalter Tag – und Overalls. Sie blieben auf der Beifahrerseite des Wagens, was bedeutete, daß man sie von der Straße aus nicht deutlich sehen konnte. Doch eine Zeugin, Lady Wright, erzählte der Polizei später aufgeregt, daß drei Handwerker herausgekommen waren, die einen dieser Gepäckwagen schoben. Es gab nur noch einen anderen Zeugen, einen Ladeninhaber, der nachsehen wollte, ob er die Scheinwerfer seines Wagens ausgeschaltet hatte. Er sah den Van drüben vor Nr. 5 und nahm an, daß die Computer gewartet würden.
Niemand sah, wie die drei Männer vor der Eingangstür stehenblieben und Sturmmasken über ihre Gesichter zogen und dann eindrangen, schnell und geräuschlos.
Wyatt ging in Finns Büro, Hobba in das von Anna Reid.
Pedersen schloß die Eingangstür ab, zog den Telefonstecker heraus und hielt seine Waffe an Ambers Schläfe. Er berührte mit dem Zeigefinger die Lippen und drückte Amber an den Schultern herunter, bis sie verstand und sich auf den Boden sinken ließ. Er sagte nichts.
Hobba war zuerst da, schob Anna Reid vor sich her. Sie stolperte, behindert durch einen engen Rock. Ihr Haar fiel nach vorn, verdeckte ihr Gesicht. »Wer sind Sie?« fragte sie und warf es zurück. »Was machen Sie hier?«
Wyatt erschien mit Finn und einem Klienten – männlich, jung, er trug eine kurze Lederjacke und Designerjeans. Der Klient machte einen benommenen Eindruck, weggetreten, als würde er halb schlafen. Finn sträubte sich und protestierte, wollte sich nicht antreiben lassen. Er trat ein, wachsam, energisch in seinem grauen, gutsitzenden Anzug und starrte zornig auf Hobba und Pedersen und zurück zu Wyatt. »Sie wissen nicht, worauf Sie sich hier einlassen«, sagte er.
Wyatt wedelte mit der Waffe.
»Wie?« fragte Finn herausfordernd, »was soll das bedeuten?«
»Nicht, Mr. Finn«, sagte Amber. Ihre Stimme zitterte. »Er will, daß Sie sich hier zu uns auf den Boden setzen.«
Finn ließ seinen großen Körper auf den Boden sinken. Wyatt stieß dem Klienten in die Rippen, weil er ohnmächtig zu werden drohte.
Hobba sagte: »Bildet einen Kreis und streckt die Handgelenke aus.«
Das waren die einzigen Worte, die einer der Männer während der vier Minuten, die der Überfall dauerte, von sich gab. Später konnte sich keines der Opfer erinnern, wie die Stimme geklungen hatte oder was genau die Worte gewesen waren. Sie waren sicher, daß keine Namen genannt worden waren. Sie streckten ihre Handgelenke aus und fühlten, wie die Handschellen klickten und sie fest umschlossen, und dann saßen sie da, im Kreis, gefesselt an ein Bein von Ambers schwerem Schreibtisch, während zwei der Männer den Raum verließen. Der dritte blieb zurück.
Er sprach kein Wort. Er stand hinter Anna Reid, seine Waffe auf ihren Hinterkopf gerichtet, und starrte Finn an. Die Bedeutung war offensichtlich: Versuch irgend etwas, und sie wird erschossen. Amber war sicher, daß es sich um eine echte Waffe handelte. Sie konnte Kugeln in dem Zylinder sehen, und sie hörte, wie die Gummihandschuhe auf dem Metall quietschten. Kein Zeichen von Nervosität, kein Kreischen, kein Herumfuchteln mit der Waffe. Der Polizist, der später ihre Aussage aufnahm, nickte. »Profis«, teilte er ihr mit.
In Finns Büro machten sich Hobba und Pedersen zügig an die Arbeit, stülpten einen Pappkarton über den Safe und setzten ihn auf den Gepäckwagen.
Wyatt hörte, wie sie zurückkehrten. Die Rollen unter dem Wagen rumpelten über den polierten Boden des Flurs. Dann hörte er, wie sie durch die Eingangstür gingen. Er sah sich nicht um. Er richtete seine Waffe weiter auf Anna und seine Augen auf Finn.
Eine Minute später – ein Klopfen an der Tür. Alles erledigt.
Wyatt preßte seine Knie sehr sanft gegen Annas Schulter, dann verließ er den Raum rückwärts. Seine Waffe zeigte nun auf Finn. Finn schien anzuschwellen, er spuckte die Worte förmlich aus: »Ich werde euch Scheißkerle finden.«
Im Eingangsbereich entfernten sie die Sturmmasken, verließen das Haus und hoben den Safe in den Laderaum des Vans. Hobba kletterte hinterher. Pedersen schmiß die Tür zu und setzte sich auf den Beifahrersitz. Wyatt hatte den Motor angelassen. Er fuhr vom Quiller Place hinüber in die Toorak Road. Niemand beachtete sie.
Wyatt fuhr drei Blocks die Chapel Street entlang, dann bog er ab, schnitt dabei eine Tram und befuhr das System der Nebenstraßen, das Pedersen für ihn ausgearbeitet hatte.
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