Gier
Finn. Sein Gesichtsausdruck sollte besagen, daß es sich um eine vertrackte und private Geschichte handelte. Er wartete, während er sie beobachtete. »Ich möchte, daß jede von euch jetzt das Richtige tut. Um den Verlust muß sich niemand Sorgen machen.«
Amber runzelte die Stirn. »Pardon?«
»Er möchte, daß wir nicht darüber reden«, sagte Anna mit funkelnden Augen und vielsagendem Gesichtsausdruck.
Amber war betroffen. »Mr. Finn, das geht nicht. Das ist nicht recht, Sie müssen es der Polizei erzählen.«
Die Handschellen an den Händen hinderten Finn daran, eine beschwichtigende Geste zu machen. »Es tut mir leid. Sie haben sicher recht.«
»Ich meine, sie trugen Waffen. Sie hätten uns verletzen können. Was wäre, wenn sie jemand anderem das nächste Mal Schlimmeres zufügen?«
»Ich weiß, was Sie damit sagen wollen«, sagte Finn, »Aber ich habe gedacht, Sie würden nicht wollen, daß die Polizei hier durchtrampelt, das ist alles. Daß sie jedem mit ihren Fragen auf die Nerven gehen und so weiter, und so weiter.«
Nein, teilte ihm Amber mit, die sich schnell erholte, das habe höchste Wichtigkeit, und er müsse das die Polizei wissen lassen. »Wie auch immer«, sagte sie, »auf der Straße werden Leute etwas gesehen haben.«
Finn atmete tief aus. »Sie haben recht«, sagte er. Anna warf ihm einen Blick unter hochgezogenen Augenbrauen zu, denn Amber ließ nicht locker, und der Klient schien inzwischen eingeschlafen zu sein. »Okay, wir werden sie besser anrufen«, sagte er.
Ihre Situation erinnerte an gewisse Filme. Sie mußten alle gleichzeitig über den Boden krabbeln und sich umsetzen, bis Amber auf der Seite lag, den Arm ausstreckte, um den Telefonstecker wieder in die Buchse zu stecken. Dann zog sie das Telefon vom Schreibtisch. Sie war schon dabei, die Tasten zu drücken, als sie nervös kichernd innehielt. »Ich weiß die Nummer nicht«, sagte sie, »ist es 999?«
»Ich glaube, es ist 000«, sagte Anna Reid. »Oder 11444, wenn Sie direkt das 24ste Revier erreichen wollen.«
Finn ließ sie jetzt machen. Während der ganzen Zeit rasten seine Gedanken, er stellte sich die Fragen der Polizei vor, die Fragen der Medien, fragte sich, wie, wenn alle nach Hause gegangen waren, er das alles Bauer erklären sollte und wie Bauer den Schaden begrenzen konnte.
Dreißig
Diesmal kam Sugarfoot nicht mal bis zum Wetterbericht. Seine Aufmerksamkeit war auf eine der Hauptnachrichten gerichtet, ein bewaffneter Raubüberfall in South Yarra. Drei Männer, die mit dem Fluchtwagen so halsbrecherisch gefahren waren, daß ein Hund getötet worden war.
Das war nicht viel, aber die Einzelheiten paßten: Der Ort, die drei bewaffneten Männer. Er schaltete den Fernseher aus und suchte einen Radiosender. Gegen acht Uhr verfügte er über mehr Informationen: die genaue Straße und ein Name, ein Anwalt namens Finn.
Man muß eine Strategie haben. Daher holte er seinen Melways-Stadtplan aus dem Customline, brachte ihn in sein Zimmer und begann zusammenzusetzen, was er wußte. Er benutzte Papierfetzen, um den Standort des Anwaltsbüros zu markieren und die Wohnorte von Hobba, Pedersen und Rossiter.
Er setzte sich zurück. Wo sollte er beginnen? Seine Gedanken schienen im Kreis zu laufen. Vor ein paar Tagen wollte er ein Stück von Wyatts Torte. Seit Dienstag war Rache alles, was er wollte. Nun fühlte er sich wieder beieinander, wollte den Anteil und Rache zugleich.
Warum keinen Deal machen, dachte er? Zu einem von ihnen gehen und sagen: Fünfzig-Fünfzig oder ich rede. Vielleicht Sechzig-Vierzig?
Oder den Anteil nehmen und dann dort ein Wörtchen fallen lassen, wo die Bullen es mitbekommen würden. Sie konnten sich dann um den Racheakt kümmern.
Es war besser, wenn er den Anteil fordern und sie einem nach dem anderen überfallen würde – Wochen, Monate später, wenn sie es am wenigsten erwarten würden.
Er sollte jetzt zuschlagen, bevor einer von ihnen Zeit hatte, sich in Sicherheit zu wiegen oder untertauchte oder das Geld ausgab.
Aber als Sugarfoot wieder Hobbas Wohnung und Pedersens Haus ausspähte, war es so, als hätte sich seit Dienstag nichts geändert. Es war immer noch niemand zu Hause. Es lagen immer noch Zeitungen auf Pedersens Fußmatte – inzwischen waren es vier.
Wenn sie bis morgen nicht auftauchen würden, hätte er keine Ahnung, was er machen sollte.
Als er zu Hause ankam, hatte Tina eine Nachricht für ihn.
»Dein Bruder hat versucht, dich zu erreichen. Er hat insgesamt viermal
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