Gier nach Blut
wollte sie nach Halt suchen, der aber war nicht vorhanden.
Ricca Marquez kippte hintenüber und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf den dünnen Teppich.
Sie wurde nicht bewußtlos.
Aus großen Augen starrte sie gegen die Decke. Und wie eine Zeichnung, die ihr Unterbewußtsein gemalt hatte, sah sie dort das glatte, kalte Frauengesicht mit den beiden Zähnen…
***
Wäre Elvira Marquez nicht so hübsch gewesen, Himmel, ich hätte mich wohl nie um diesen Fall gekümmert, aber einer Frau wie ihr hatte ich einfach nicht widerstehen können.
Sie hatte mich tatsächlich an der Kasse eines Supermarkt abgefangen, in all dem Trubel, der an diesem frühen Abend herrschte, und sie hatte zwischen den beiden Einkaufstüten auf den Armen hindurch in mein Gesicht geschaut.
»John Sinclair?« hatte sie gefragt, wobei ihre Stimme leicht vibrierte, als stecke ein Stück Rauchglas in ihrer Kehle, das jeden Augenblick zerbrechen konnte.
»Ja, das bin ich.«
»Toll, daß ich Sie gefunden habe.«
Ich lächelte etwas verlegen. »Ich würde Ihnen ja gern die Hand schütteln, aber Sie sehen ja…«
»Das macht überhaupt nichts, Mr. Sinclair. Sie stellen die Tüten in Ihren Wagen, bringen alles in Ihre Wohnung, und ich sage Ihnen zuvor, wo wir uns treffen.«
»Heute?«
»Ja.« Sie lächelte so herrlich, daß ich nickte, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. »Wo denn?«
»Im El Toro.«
»Das ist ein Restaurant, denke ich mal.«
»Ja, ein argentinisches.«
»Ich kenne es vom Ansehen.«
Sie schaute auf ihre Uhr. »Sagen wir in einer Stunde, Mr. Sinclair?«
»Sie werden es sicherlich nicht bereuen«, sagte sie und schwang herum, wobei der Mantel die Bewegung mitmachte. Ich sah ihn noch flattern, als die Frau selbst zwischen den Kunden des Supermarkts verschwunden war. Etwa wie ein begossener Pudel stand ich da und überlegte, ob es ein Traum gewesen war oder diese Begegnung der Wahrheit entsprochen hatte. Es mußte die Wahrheit gewesen sein, denn der Geruch ihres Parfüms hing noch in der Luft.
Wer war diese Frau? Sie hatte mich angesprochen und mich in das Restaurant El Toro eingeladen, um mit mir zu reden. War das der Grund? Nicht einmal die Andeutung eines Motivs hatte sie mir mit auf den Weg gegeben und mich in diesem Spannungsfeld gelassen.
Trotzdem hatte sie mich neugierig gemacht. Und für den Abend hatte ich mir sowieso nichts vorgenommen, abgesehen davon, daß ich Lebensmittel in den Kühlschrank einräumen mußte.
Als ich den Rover erreicht hatte, er stand auf dem Parkplatz der Supermarkts, grinste ich schon wieder. Diese Frau war eine Wucht.
Rasseweib, nannte man so etwas. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie mich allein wegen meiner graublauen Augen angesprochen hatte, da steckte sicherlich etwas anderes dahinter. So gab es denn nur einen Grund: Sie wollte etwas Dienstliches von mir. Deshalb konnte ich mir jeden Macho-Gedanken sparen.
Ich stieg ein und hörte das Hupen. Schräg hinter mir hatte bereits ein Fahrer gehalten, der unbedingt in die Parklücke hineinwollte. Ich rangierte ihm wohl zu langsam hervor. Trotzdem ließ ich mir die nötige Zeit. Beulen oder Kratzer wollte ich mir nicht unbedingt holen.
Alles klappte ohne Schrammen, ich kam auch vom Parkplatz weg und tauchte etwa zehn Minuten später in die Tiefgarage des Hochhauses ein, in dem ich wohnte.
In der Wohnung packte ich aus und stellte die Lebensmittel in den Kühlschrank. Ich war noch bei der Arbeit, als es klingelte, eine Warnung gewissermaßen, denn Suko betrat Sekunden später die Wohnung und war auch gleich in der Küche, weil er die entsprechende Geräusche gehört hatte.
Nahe der Tür blieb er stehen, grinste breit und nickte einige Male, ohne das Grinsen einzustellen.
»Ist was?« fragte ich ihn.
»Nein, nein, ich schaue nur gern zu, wenn ein Geisterjäger seine Lebensmittel einräumt.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Warum das?«
»Es beruhigt mich. So verhungerst du wenigstens nicht.«
Auch der Joghurt fand noch einen Platz. »Und sonst gibt es keinen Grund, der dich hätte herführen können?«
»Doch. Ich wollte gern wissen, ob du am Abend etwas vorhast.«
»Habe ich.«
»Was denn?«
»Ich bin verabredet.«
»Aber nicht mit mir.«
Ich bedachte ihn mit einem langen Blick. »Um Himmels willen, nein, nur das nicht!«
»Sondern?«
»Was hattest du denn vor?«
»Shao und ich wollten eigentlich etwas essen gehen. Da hat ein neuer Grieche eröffnet und…«
»Ihr könnt es gern tun, ich werde aber heute abend
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