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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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riesenhaften Eule gleich spiegelte sich das rote Neonlicht der Leuchtreklame eines Hotels auf der Nordseite in seinen großen Augengläsern, welche sein eher hageres Gesicht fast zur Hälfte einnahmen. Die Haare waren wirr, kaum gekämmt und in fast ruckartigen Bewegungen kam er auf mich zu. Direkt, geradewegs, ohne nach links oder rechts zu blicken, steuerte er auf mich zu. Ich war zu gefesselt von dieser Erscheinung, dass ich es fast nicht zustande brachte, noch einmal kurz zur Uhr hinaufzublicken. Und trotzdem, 21.10 Uhr.
    Es war nicht nur die Wahl des Ortes. Es war nicht nur die Stadt, der Geruch, die Temperatur, die Ausstrahlung, es war auch seine Entscheidung, wann er kam. 10 Minuten nach der vereinbarten Zeit. Ello Dox sprach sieben Sprachen, hatte 55 Jahre Lebenserfahrung, konnte sich wahrscheinlich auf der ganzen Welt bewegen und kommunizierte auf verschiedenen Ebenen, vor allem aber auf einer, die ich nicht beherrschte: auf der symbolischen. Er spielte hervorragend Schach, das wusste ich aus seinen Akten. Er besaß mit Sicherheit eine Gabe, die mich schon immer faszinierte, die ich aber gleichzeitig fürchtete, wie das Kleinkind das Fehlen der schützenden mütterlichen Hand, die Antizipation. Dieser Mann war mit Sicherheit nicht nur in der Lage zu verstehen, sondern vor allem auch vorherzusehen. Er blickte mich lange an und nach einem tiefen Zug aus seiner Zigarette meinte er: „Bene, schön, dass Sie da sind, habe mir gedacht, dass man gerade Sie schicken würde. Ich habe schon sehr viel von Ihnen gelesen.“

acht
    „Sie sind doch Kriminalpsychologe. Können Sie mir erklären, was hier eigentlich passiert ist?“, vernahm ich den Chief Executive Officer der Institution, der sichtbar gezeichnet von schlaflosen Nächten der vergangenen Tage in seinem Sessel vorne übergebeugt auf dem dicken schweren Eichentisch lehnte. „Warum bei uns? Warum jetzt? Warum Ello Dox? Warum dieser Angriff? Steckt hier noch jemand dahinter? Was haben wir falsch gemacht, um nicht zu erkennen, was hier eigentlich passiert ist? Dieser Mann musste Tage, Wochen, ja vielleicht Monate an seinen Vorbereitungshandlungen gearbeitet haben und wir haben es nicht erkannt. Wir haben uns blenden lassen von einem heimtückischen Verbrecher. Niemand hatte etwas gesehen. Wie ist das möglich? Erklären Sie mir das?“
    Dieser Mann wollte keine Spekulationen, keine langen gesellschaftspolitischen oder gesellschaftspsychologischen Erläuterungen für das, was in seiner Firma passiert war. Dieser Mann wollte Fakten, verstehen, nachvollziehen und vor allem wollte er etwas dagegen tun, und zwar rasch. Jetzt, auf der Stelle!
    Er wollte den Umstand beseitigen, aber nicht wirklich über die Ursachen nachdenken. Er hatte aus seiner Sicht lang genug gelitten. Es mussten Entscheidungen gefällt werden, jetzt. Man musste den Mann finden, ihm die Daten abnehmen und ihn dann der gerechten Strafe zuführen. Er meinte, es wäre ein Einzelfall und deswegen säßen wir jetzt hier. Kontakt aufnehmen, isolieren, festnehmen und das Drama ist vorbei. Aber das ist ein Irrtum.
    „Was glauben Sie denn, Herr Generaldirektor, warum Ello Dox das getan hat?“
    „Ich weiß es nicht“, herrschte er mich an. „Ich weiß nur, dass er es getan hat und ich lege größten Wert darauf, dass dieser Albtraum bald vorbei ist. Länger stehe ich das nämlich nicht durch. Ich bin es gewohnt, rasche und schnelle Entscheidungen zu treffen und vor allem mir nicht von anderen ihren Willen aufzwingen zu lassen. Was schlagen Sie vor, was wir tun sollen?“
    „Das, was Sie hier erleben, Sir, ist kein Einzelfall. Ich habe in den letzten 24 Monaten beobachten müssen, dass es ein außergewöhnliches Ansteigen von solchen Fällen gibt. Destruktive Verhaltensweisen am Arbeitsplatz nehmen leider immer mehr zu und die Ursachen mögen multikausal sein. Vor 40 oder 50 Jahren, wenn jemand massive Schwierigkeiten mit seinem Nachbarn, mit seiner Umgebung oder mit ihn umgebenden Menschen hatte, wurde er im schlimmsten Fall depressiv und brachte sich um. Heute richten sich aggressive Handlungen mehr nach außen und es vergeht kaum mehr ein verlängertes Wochenende zu Ostern, Weihnachten oder Pfingsten, wo wir nicht in den Zeitungen lesen können, dass jemand nahezu seine gesamte Familie ausrottet und anschließend einen mehr oder minder halbherzigen Selbstmordversuch unternimmt. Dieses Phänomen scheint es auch am Arbeitsplatz zu geben. Wenn jemand vor 50 Jahren mit der Philosophie seines

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