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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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ja.«
»Und ich habe vor, das weiter schamlos auszunutzen, wie ich schon letzte Woche bei unserem Telefongespräch angedeutet hatte.« Judith sah auf ihre Uhr und musste feststellen, dass jetzt keine Zeit mehr war, ihren Wunsch zu erklären. Sie musste zurück nach Gardelegen.
»Fahr nur los«, zeigte Laura Verständnis, »heute Abend oder morgen kommst du sicher noch dazu.«
    ~ 19 ~
     
    Seine Friedhofsinspektionen hatten Walter Dreyer als Erstes nach Breitenfeld geführt, wo alles in Ordnung war. Nun waren die beiden Waldauer Friedhöfe dran. Eine Trauerfeier hatte es hier in den letzten Tagen nicht gegeben, soweit er wusste. Dennoch, vom Zustand der Gräber wollte er sich besser selbst überzeugen.
Der kleine, alte Friedhof rund um die Dorfkirche wurde nur noch in wenigen Ausnahmefällen genutzt, wenn alte Familiengrabstätten und die Berufung auf eine entsprechende religiöse oder familiäre Tradition das noch gestatteten. Eine Friedhofsordnung forderte nämlich schon seit Längerem, die Beerdigungen auf dem neuen Friedhof am nordwestlichen Dorfrand vorzunehmen. Dort waren inzwischen auch Urnenbeisetzungen üblich.
Aber auch da war alles unversehrt gewesen, die Tür zu der kleinen Leichenhalle war verschlossen und unbeschädigt, es gab kein offenes Grab oder Spuren von frischen Erdarbeiten.
Nun wollte Walter per Fahrrad weiter, um die Friedhöfe in Schwiesau, Engersen und Wiepke zu kontrollieren. Sein Rad hatte er vor dem Friedhof an einen Holzstapel gelehnt und bemerkte beim Näherkommen einen Platten im Hinterreifen. Wo kam der denn auf einmal her?! Das war ärgerlich, denn er hatte sich auf die spontane Fahrradtour gefreut. Er hockte sich hin. Eine genauere Betrachtung des Schadens ergab schnell einen eingefahrenen Nagel als Ursache. Walter seufzte. Das sah nach einer zeitraubenden Reparatur aus. Und bis er damit fertig und der Kleber getrocknet war ... Seine nächsten Besichtigungen würden bis morgen warten müssen.
»Kennst du ein gutes Versteck?«, wurde er von hinten angesprochen und erschrak, denn er hatte niemanden kommen hören.
»Fritzi! Du kannst dich aber gut anschleichen!«, lobte Walter den kleinen, zierlichen Jungen, der ihn dankbar anstrahlte.
Fritzi Bauer war ein glühender Verehrer des Dorfpolizisten, seit der ihm im letzten Jahr das Leben gerettet und seine Mama damit überglücklich gemacht hatte. Außerdem durften seine Mama, seine Schwester und er in das große, leere Haus einziehen, und Leon kam jeden Tag zu Besuch. Die Erwachsenen sagten immer wieder, dass der Umzug ohne den Polizisten nicht geklappt hätte. Fritzi wunderte sich zwar, dass Polizisten neben dem Fangen von Verbrechern und dem Anhalten von Autos auch für schöne Häuser sorgen mussten, dennoch stand für ihn der Berufswunsch fest. Wenn man den Sechsjährigen fragte, was er als großer Mann einmal werden wollte, antwortete er seit Monaten stets: »Onkel Walter.«
Tatsächlich hatte Walter Dreyer sich beharrlich bei den Behörden eingesetzt, um für die Familie Bauer eine neue Bleibe zu finden. Vom Ehemann und Vater schwer misshandelt, waren die drei vor gut zwei Jahren quasi nach Waldau geflohen und hatten sich hier gerade einigermaßen eingelebt, als dramatische Ereignisse alles wieder infrage stellten. Doch Elvira Bauer wollte gerne hier bleiben, die Kinder sowieso, und vermutlich spielte die enge Beziehung zu Leon Ahlsens bei diesem Wunsch eine nicht unerhebliche Rolle. Nach vielem Hin und Her gelang es Walter Dreyer durchzusetzen, dass die drei Bauers in ein – nicht nur an ihren bisherigen Wohnumständen gemessen – großes und komfortables Haus umziehen konnten. Das Gebäude, das sich wieder in Gemeindebesitz befand, stand seit ein paar Monaten leer, seit seine früheren Bewohnerinnen zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren. Sie würden hierher nicht zurückkehren, das war sicher.
Fritzi war begeistert eingezogen, denn das Haus verfügte über einen kleinen Turm und war für ihn eine Ritterburg. Seine etwas ältere Schwester Dany war vor allem von den vielen Zimmern angetan und hatte sich tagelang nicht entscheiden können, was nun ihres werden sollte. Leon hatte ihr dann vorgeschlagen, eine Woche lang einfach jede Nacht in einem anderen Zimmer zu schlafen und dann dasjenige auszuwählen, in dem sie den schönsten Traum gehabt hatte. Dany war einverstanden und so wurde es auch gemacht.
Botho Ahlsens hatte ohne viel Aufhebens auf seine Kosten die Maler ins Haus geschickt und auch ein paar Möbel spendiert; für

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