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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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zu
ignorieren, das im Handumdrehen zu ihm zurückkehren würde, das im Tausch gegen
seine Wohnungsschlüssel diese großartige Idee, um die Welt zu reisen,
erleichtert fallen ließe. Gegen zehn Uhr an diesem Abend bekomme ich
schließlich meine Antwort. Eine wunderbar formulierte E-Mail -
selbstverständlich. David hat immer wunderbar formuliert. Er stimme mir zu,
jawohl, dass es Zeit werde, sich endgültig Lebewohl zu sagen. Auch er habe
schon einige Male daran gedacht.
    Er hätte es gar nicht schöner sagen können. Seine Gefühle
des Verlusts und Bedauerns teilt er mir mit jener Zärtlichkeit mit, zu der er
manchmal auf so ergreifende Weise fähig ist. Er hoffe, ich wisse, wie sehr er
mich anbete, weil er mit Worten gar nicht ausdrücken könne, wie sehr. »Aber wir
sind nicht das füreinander, was wir voneinander brauchen.« Sagt er. Dennoch sei
er sicher, dass ich irgendwann in meinem Leben die große Liebe finden werde.
Denn, meint er, »Schönheit zieht Schönheit an«.
    Was ja wirklich schön ist. Und vielleicht das Schönste
ist, was die Liebe unseres Lebens uns sagen kann, wenn sie nicht sagt: Komm
zurück! Geh nicht fort! Ich werde mich ändern!
    Schweigend sitze ich da und starre lange und traurig auf
den Bildschirm. Es ist am besten so, ich weiß es. Ich entscheide mich fürs
Glück - anstelle des Leidens -, ich weiß es. Ich schaffe Raum für eine
unbekannte Zukunft, um dem Leben und seinen Überraschungen wieder eine Chance
zu geben. Das alles weiß ich. Und dennoch ...
    Es ist wegen David. Der jetzt
für mich verloren ist.
    Noch trauriger lasse ich den Kopf in die Hände sinken.
    Schließlich blicke ich auf und stelle fest, dass eine der
albanischen Reinemachefrauen im Internetcafe ihre Arbeit unterbrochen hat, an
der Wand lehnt und mich beobachtet. Müde schauen wir uns an. Dann nicke ich ihr
grimmig zu und sage laut: »Das haut auch die Stärkste um.« Sie nickt
mitfühlend. Sie versteht meine Worte nicht, auf ihre Art aber versteht sie mich
völlig.
    Mein Handy klingelt.
    Es ist Giovanni. Er klingt verwirrt. Schon über eine Stunde,
sagt er, warte er an der Piazza piume, also dort, wo wir uns donnerstagabends
zu unseren Konversationsstunden treffen. Er sei irritiert, weil sonst immer nur
er zu spät komme oder unseren Termin vergesse, heute aber sei er ausnahmsweise
pünktlich gewesen. Wir hätten doch eine Verabredung heute Abend, oder?
    Ich hatte es vergessen. Ich erkläre ihm, wo ich bin. Er
werde vorbeikommen, meint er, und mich abholen. Zwar bin ich gerade nicht in
der Stimmung, Leute zu sehen, aber angesichts unserer begrenzten
Sprachkenntnisse ist das am telefonino nur schwer
zu vermitteln. Ich gehe nach draußen und warte in der Kälte auf ihn. Ein paar
Minuten später fährt sein kleines rotes Auto vor, und ich klettere hinein. Er
fragt mich auf Italienisch, was denn los sei. Ich mache den Mund auf, will
antworten und breche in Tränen aus. Beziehungsweise in ein Geheule. In jenes
furchtbare Stakkato, das meine Freundin Susan als »Doppelpumpe« bezeichnet,
weil man auf jeden Schluchzer zwei hastige Atemzüge nehmen muss. Ich hatte
dieses Kummerbeben nicht vorausgesehen, wurde völlig davon überrascht.
    Armer Giovanni! In unsicherem Englisch fragt er mich, ob
er denn etwas falsch gemacht habe. Ob ich vielleicht sauer auf ihn sei. Ob er
meine Gefühle verletzt habe. Ich kann nicht antworten, schüttle nur den Kopf
und heule weiter.
    Am liebsten würde ich im Boden versinken, und der gute
Giovanni, der mit dieser schluchzenden, wirren Alten - die völlig in pezzi ist, ein
einziges Häufchen Elend - hier in diesem Auto festsitzt, tut mir entsetzlich
Leid.
    Schließlich schaffe ich es, ihm krächzend zu versichern,
dass mein Elend nichts mit ihm zu tun habe. Versuche, eine Entschuldigung für
meinen jämmerlichen Zustand hervorzuwürgen. Giovannis Reaktion beweist, wie
reif er ist. »Entschuldige dich nicht für deine Tränen«, sagt er. »Ohne
Gefühle sind wir nur Roboter.« Er reicht mir ein paar Papiertaschentücher aus
einer Box hinten im Wagen und meint: »Fahren wir.«
    Er hat Recht - der Platz vor diesem Internetcafe ist ein
viel zu öffentlicher und grell beleuchteter Ort für einen Zusammenbruch. Er
fährt ein Stückchen, um dann auf der Piazza della Repubblica zu parken,
gegenüber dem prächtigen Brunnen mit den splitternackten Nymphen, die lüstern
mit einem Schwarm steifhalsiger Riesenschwäne herumtollen. Nach römischen
Maßstäben wurde der Brunnen erst kürzlich errichtet,

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