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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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so hin und weg von meiner Pizza, dass ich mir einbilde, meine Pizza
erwidere meine Gefühle. Ich habe eine alles verschlingende Beziehung zu dieser
Pizza. Sofie ist mittlerweile über der ihren in Tränen ausgebrochen, sie macht
gerade eine metaphysische Krise durch und fragt mich in beschwörendem Ton:
»Warum versuchen sie überhaupt noch, in
Stockholm Pizza zu backen? Ja, warum essen wir überhaupt
noch irgendetwas in Stockholm?«
    Die Pizzeria Da Michele ist ein
kleines Lokal mit zwei Gasträumen und einem Ofen, der nie erkaltet. Sie liegt
etwa fünfzehn Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt - überlegen Sie erst gar
nicht, gehen Sie einfach hin! Man sollte schon ziemlich früh am Tag dort sein,
weil ihnen manchmal der Teig ausgeht, was einem das Herz bricht. Gegen ein Uhr
mittags sind die Straßen vor der Pizzeria von Neapolitanern verstopft, die versuchen
hineinzukommen und dabei drängeln, als wollten sie einen Platz auf einem
Rettungsboot ergattern. Eine Speisekarte gibt es nicht. Sie verkaufen hier nur
zwei Sorten von Pizza: normal und mit einer Extraportion Käse. Nichts von
diesem südkalifornischen New-Age-Oliven-und-getrocknete-Tomaten-Möchtegernpizza-Quatsch.
Der Teig ähnelt geschmacklich - und ich brauche eine halbe Stunde, um das
herauszukriegen - indischem Naan. Er ist weich und feucht und nachgiebig, aber
unglaublich dünn. Ich dachte immer, in Bezug auf Pizzaböden gebe es nur zwei
Optionen: dünn und knusprig oder dick und weich. Wie hätte ich ahnen können,
dass es auf dieser Welt einen Pizzaboden gibt, der dünn und weich ist?
Bei allem, was heilig ist! Auf den Teig wird eine süße Tomatensauce gestrichen,
die cremig aufschäumt und Bläschen wirft, wenn sie den frischen
Büffel-Mozzarella zum Schmelzen bringt. Der Basilikumzweig in der Mitte
verbreitet sein Aroma über die gesamte Pizza, so ähnlich wie ein einziger
Filmstar auf einer Party allen Anwesenden durch sein Auftauchen zu einem Glamour-Hoch
verhilft. Natürlich ist es schier unmöglich, dieses Gebilde zu essen. Man
versucht, ein Stück abzubeißen, und der weiche Boden gibt nach, und der heiße
Käse läuft davon wie die Ackerkrume bei einem Erdrutsch, und man bekleckert
sich und seine Tischnachbarn.
    Die Burschen, die dieses Wunder vollbringen, schaufeln Pizzas in den
Holzofen hinein und hinaus und wirken fast wie Heizer im Bauch eines
Ozeandampfers, die Kohlen in die tosenden Kessel schippen. Sie haben die Ärmel
über den verschwitzten Unterarmen hochgerollt, ihre Gesichter sind rot vor
Anstrengung, ihre Augen blinzeln wegen der Hitze des Feuers, und zwischen den
Lippen klemmt eine Zigarette. Sofie und ich bestellen noch eine zweite ganze
Pizza für jede von uns und verdrücken sie restlos.
    Ein Wort zu meiner Figur. Natürlich nehme ich Tag für Tag
zu. Mit diesen Unmengen an Käse und Pasta, Brot, Wein, Schokolade und Pizza,
die ich hier in Italien täglich verdrücke, mute ich meinem Körper einiges zu.
Ich treibe keinen Sport, ich nehme nicht genügend Ballaststoffe zu mir, ich
schlucke keine Vitamintabletten. In meinem wirklichen Leben kannte man mich als
jemanden, der mit Weizenkeimen bestreuten Ziegenmilchjoghurt zum Frühstück aß.
Aber mein wirkliches Leben ist weit weg. Daheim in Amerika erzählt meine
Freundin Susan den Leuten, ich sei auf einer Tour mit dem Motto »Jede Kalorie
wird mitgenommen«. Aber mein Körper nimmt es so gleichmütig auf. Gegenüber all
meinen Vergehen und Ausschweifungen drückt er ein Auge zu, als wolle er sagen:
»Okay, Kleines, leb ruhig in Saus und Braus, ich weiß ja, dass es was
Vorübergehendes ist. Sag mir Bescheid, wenn dein kleines Genussexperiment
vorbei ist, dann will ich mal schauen, was ich in puncto Schadensbegrenzung
tun kann.«
    Dennoch erblicke ich, als ich mich im Spiegel der besten Pizzeria
Neapels betrachte, strahlende Augen, reine Haut, ein glückliches und gesundes
Gesicht. So ein Gesicht habe ich lange nicht mehr an mir gesehen.
    »Danke«, flüstere ich. Dann laufen Sofie und ich in den
Regen hinaus, um nach süßem Gebäck Ausschau zu halten.
     
    28
     
    Wahrscheinlich bringt mich dieses Glück (das inzwischen
schon einige Monate zurückliegt) bei meiner Rückkehr nach Rom auf den Gedanken,
dass ich im Hinblick auf David wirklich etwas unternehmen sollte. Dass es
vielleicht Zeit für uns wird, unsere Geschichte endgültig abzuschließen. Wie
waren wir verblieben, als wir im letzten Winter Schluss gemacht hatten?
Offiziell waren wir zwar getrennt, hatten aber ein

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