Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
sein Gesicht blutig, die Haut abgeschürft –, der bereits neben dem gefallenen Vampir kniete. »Er ist schwer verletzt. Gebrochenes Rückgrat, Schädelfraktur, Atmung kollabiert. Vielleicht hat eine gebrochene Rippe sein Herz durchbohrt.«
»Er hat Michaela gebissen«, sagte Elena, unsicher, ob das überhaupt eine Rolle spielte.
»Dann hat er sehr wahrscheinlich das Gift in seinen Reißzähnen eingesetzt.« Federleicht strichen Keirs Hände über Venoms Körper. »Ohne Gift ist er leichter zu handhaben.«
»Kann das Gift denn einem Engel etwas anhaben?«
»Nicht auf Dauer«, antwortete Galen, »aber es löst meist heftige Schmerzen aus.«
»Er liegt im Sterben.« Keir setzte sich auf. Mit einem vor Anspannung kalkweißen Gesicht nickte er Galen zu. »Könntest du ihn ins Behandlungszimmer bringen?«
Galen schob die Arme unter Venoms verletzten Körper. Elena hielt sich mit Kommentaren zurück, denn als Mensch hatte sie gelernt, dass Patienten mit Rückenmarksverletzungen nicht bewegt werden sollten. Doch Keir wusste sicher viel mehr über die Behandlung solcher Verletzungen bei Vampiren als sie. Auf dem Weg zum Behandlungszimmer roch sie das Meer, spürte, wie der Wind ihren Geist erfüllte. Mit einem Seufzer der Erleichterung sagte sie: »Raphael ist hier.«
Aber nicht einmal ein Erzengel würde einen so schwer verwundeten Vampir retten können. Und wie würde Raphael auf den Verlust eines seiner sieben Tapferen reagieren?
31
Elena tupfte sich gerade das Blut von den Wangen, als Raphael aus Venoms Krankenzimmer kam. »Ich brauche dich und deine Fähigkeiten, Elena.«
Rasch legte sie das feuchte Handtuch beiseite, das sie in einem der Behandlungsräume gefunden hatte. Ihr Gesicht brannte zwar immer noch von den Schnittwunden, aber als Mensch würde sie die Schmerzen als weitaus schlimmer empfunden haben – in ihrem Fall hatte die Heilung bereits eingesetzt. »Für den toten Engel?«
Ein Nicken.
»Und Venom – ist er …?«
»So leicht stirbt er nicht.«
Während des Fluges sprachen sie nicht über den Toten. An der Fundstelle sahen sie riesige Felsbrocken. Nachdem Elena sich einen kurzen Überblick über das gefährliche, unebene Gelände verschafft hatte, wusste sie, dass eine Landung schwierig werden würde. Aus Stolz hätte sie es am liebsten trotzdem versucht, aber Raphael brauchte sie jetzt, sie musste funktionsfähig bleiben, um eine Aufgabe zu lösen, die nur sie allein bewältigen konnte. Hilf mir ein wenig.
Raphael änderte seinen Kurs, flog jetzt über ihr und wies sie an, die Flügel zusammenzufalten. Zu ihrer eigenen Überraschung fiel es ihr enorm schwer, gegen ihre neu erwachten Instinkte zu handeln, aber es gelang ihr schließlich. Noch bevor sie fallen konnte, hatte Raphael sie schon ergriffen und landete sicher mit ihr auf einem dafür geeigneten nahen Felsbrocken.
»Danke!« In Gedanken war sie bereits bei der Leiche. Aus der Luft hatte es so ausgesehen, als habe man den Engel auf die Felsen geschmettert, nichts war heil geblieben, die Knochen zertrümmert, die Gliedmaßen zerschlagen. Nun erkannte sie auch, dass der Kopf vom Körper abgetrennt worden war und dass in der Brust ein riesiges Loch klaffte; es fehlte nicht nur das Herz, sondern sämtliche inneren Organe waren entfernt worden.
»Irgendjemand wollte ganz sicher sein, dass er nie wieder aufsteht.« Der Brustkorb des Engels strahlte im Sonnenlicht, zwar war das Blut bereits getrocknet, doch glänzte es so hell, dass Elena sich verwundert über den Torso beugte. »Als würde sein Körper langsam zu Stein werden.« Die panzerartige dunkelrote Blutkruste war auf sonderbare Weise schön.
»Das sieht nur so aus«, sagte Raphael. »Seine Zellen versuchen, den Schaden zu reparieren.«
Sie zuckte zurück. »Lebt er etwa noch?«
»Nein. Aber es dauert sehr lange, bis ein Unsterblicher wirklich tot ist.«
»Eigentlich ist es doch dann gar keine Unsterblichkeit, oder? Ich meine, wenn man trotzdem sterben kann?«
»Im Vergleich zu einem Menschenleben …«
Ja. »Also einfach den Kopf abschneiden, und um auf Nummer sicher zu gehen, die Organe auch noch raus.«
»Sein Gehirn wurde auch entnommen.«
Elena starrte den Kopf an. »Es scheint aber unversehrt zu sein.« Sie streckte die Hand danach aus, zog sie aber sogleich wieder zurück. »Kann auf diese Weise nichts übertragen werden?«, fragte sie, ihre Finger hatten sich instinktiv zusammengekrümmt, als sie sich dem blutverklebten Haar, das wohl einmal blond gewesen war,
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