Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
gekommen.«
»Du erwartest von ihr, dass sie sich wie ein Mensch verhält, Elena.« Kälte schwang in seiner Stimme mit. »Erzengel sind es nicht gewohnt, um Erlaubnis zu bitten.«
Sie war nicht mehr dieselbe Frau, die damals aus dem Koma erwachte und eine Beziehung voller Rätsel eingegangen war. Heute kannte sie ihn zumindest ein wenig besser. Jedenfalls genug, um ihn fragen zu können: »Und was stimmt daran nicht?«
Raphael sah sie an, und seine Augen hatten diese metallische Farbe angenommen, die nichts Gutes verhieß. »Was Michaela mit Aloysius gemacht hat? Ich wäre nicht so gütig gewesen.«
Elena bekam feuchte Hände. »Das nennst du Güte?«
»Er hatte einen raschen Tod.« Wie ein gnadenloser Winter, so eisig war sein Blick. »Ich hätte ihn noch tagelang am Leben gehalten, während ich sein Gehirn Stück für Stück auseinandergenommen hätte.«
Ihr stockte der Atem. »Warum erzählst du mir das alles?«
Du musst wissen, wer ich bin.
Elena ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen und gab ihm dann zur Antwort: »Wenn Slater Patalis vor mir stünde, würde ich es genauso machen.«
Raphael streichelte ihr übers Gesicht. »Nein, Elena. Ich glaube, dein Zorn brennt viel heißer.«
Sie ergriff seine Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Wenn es bei dir einmal so weit sein sollte, werde ich versuchen, dich aufzuhalten.«
»Warum? Hast du etwa Mitleid mit denen, die Unschuldigen etwas zuleide tun?«
»Nein.« Sie brachte seine Hand an die Lippen. »Ich sorge mich nur um dich.«
Raphael spürte, wie die Kälte in ihm einem wärmeren Gefühl wich. »Du willst mich also retten.«
»Ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit.« Ihre Stimme war heiser, die dunklen Schatten der Erinnerung lasteten auf ihr. Heute war sie wieder schreiend erwacht, gefangen in einem Albtraum, der sie nun schon fast zwei Jahrzehnte lang verfolgte.
Er tat es ihr gleich und presste ihre Hand an seine Lippen. »Wir retten uns gegenseitig.«
Worte waren überflüssig, bis seine Jägerin das Schweigen brach und den Kopf schüttelte. »Was, wenn dieser Möchtegern-Erzengel während unserer Abwesenheit aktiv wird?«
»Nazarach, Dahariel und Anoushka sind alle zum Ball geladen, genau wie die anderen mächtigen Engel.«
Elena wurde ganz still. »Dort werden sie zuschlagen, nicht wahr? Das ist der perfekte Rahmen, besonders, da kurz vor dem Ball noch der Kader tagt.«
»Ja.« Er sah sie an, ihr Blut pochte wild. »Lass sie nicht an dich heran. Du bleibst die Zielscheibe, mit der sich der Erzengel-Anwärter die meiste Aufmerksamkeit verschaffen kann.«
»Keine Angst. Das ist nicht unbedingt die Sorte von Leuten, mit denen ich gerne meine Zeit verbringe.« Ein Schauder lief ihr über den Rücken, doch hatte er nichts mit dem drohenden Anschlag auf sie zu tun, das wusste Raphael, noch bevor sie sprach. »Lijuan … hast du etwas von ihr gehört?«
»Sie hat ihre Wiedergeborenen in die Verbotene Stadt gebracht. Wir werden dem leibhaftigen Tod begegnen.«
32
Die Verbotene Stadt verschlug Elena den Atem. Ein Labyrinth ausgefallener Bauwerke und halb versteckter Wege, war dies eine Stadt in der Stadt. Und sie steckte voller Wunder – weiße Marmorbrücken mit schlafenden Drachen vor den Toren, gepflasterte Innenhöfe voller Bäume, die statt Früchte kleine Lampions trugen; Höflinge, die in den Farben von Juwelen gekleidet waren. Es war wie im Märchen.
»Schmetterlinge«, flüsterte sie vom Balkon der vornehmen Residenz herunter, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. »Sie erinnern mich an Schmetterlinge.«
Hinter sich spürte sie Raphaels beruhigende Wärme, mit den Händen stützte er sich zu beiden Seiten von ihr an die Brüstung. Elena genoss die Hitze seines Körpers, fühlte, wie sein Brustkorb beim Sprechen vibrierte. »Neha und ein paar der anderen halten auch Hof, aber Lijuan übertrifft sie alle.«
»Sie ist eine wahrhafte Königin.« Elena sah, wie die Höflinge ihre Fächer entfalteten und ihr kokett zulächelten. Die Frauen trugen knöchellange Kleider, die statt von Erotik von Eleganz kündeten. »Glaubst du, sie wissen über die Wiedergeborenen Bescheid?«
»Ja.« Seine Hände schlossen sich um ihre, dunkel und verheißungsvoll klang seine Stimme an ihrem Ohr. »Jason wurde von seinen Männern berichtet, dass sie ein paar ihrer Wiedergeborenen zur allgemeinen Belustigung an den Hof gebracht habe.«
Umrahmt von Raphaels kraftvollen Armen klammerten sich Elenas Hände an die vom Alter
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