Gildenhaus Thendara - 7
Regeln; keine von uns darf sich drücken oder die Schwestern bitten, über etwas zu sprechen, woran sie sich nicht beteiligen will… ” Jaelle blickte unentwegt auf den Teppich nieder, und Mutter Lauria zuckte die Schultern. „Doria?”
Das Mädchen kicherte nervös. „Ich habe noch nie einen Mann gut genug gekannt, um ihn zu lieben - oder zu hassen. Was kann ich dazu sagen?” Sie wandte sich Jaelle zu. „Du warst die letzte Frau, von der ich geglaubt hätte, daß sie sich je einen Freipartner nehmen würde! Du hast so oft gesagt, du wollest nichts von den Männern wissen…”
Mutter Lauria sah Jaelle so intensiv an, daß die Jüngere abwehrte: „Nicht ich werde sprechen” Doch dann schwieg sie wieder lange Zeit, so lange, daß Magda sich tatsächlich nach ihr umdrehte, um sich zu Überzeugen, daß sie noch anwesend war. Endlich sagte Jaelle: „Männer… sind alle gleich…genau wie wir Frauen in gewisser Weise alle gleich sind. Jeder Mann unterscheidet sich von den anderen, und doch haben sie alle etwas gemeinsam, das sie anders als Frauen macht. Ich weiß nicht, was es ist…” Ringsherum wurde gekichert und gelacht, und die Spannung lockerte sich ein bißchen. Aber Jaelle fuhr unsicher fort: „Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich habe nur mit diesem einen Mann geschlafen. Er gefällt mir. Vermutlich ist er nicht wesentlich anders als Keithas Mann, hat vielleicht bessere Manieren. In der Terranischen Zone gibt es Gesetze, nach denen ein Mann gegen seine Frau ebenso wenig gewalttätig werden darf wie gegen irgendeinen anderen Bürger. Aber ich müßte eine Frau fragen, die viele Liebhaber gehabt hat, ob sie in dieser Beziehung alle gleich sind…” Rafaella lachte kurz auf. „Es ist eine bei jungen Frauen allgemein verbreitete Illusion, daß die Männer sich voneinander unterscheiden” In das Gelächter der anderen hinein beteuerte sie: „Nein, im Ernst, kein Mann ist wie der andere, und doch unterscheiden sie sich nicht”
„In der terranischen Zone ist eine Frau dem Gesetz nach nicht Eigentum ihres Freipartners”, sagte Jaelle, „aber in jedem Mann scheint etwas zu stecken, das ihn treibt zu besitzen … Ich habe das vorher nicht gewußt” Sie schüttelte den Kopf, und ihr Haar von der Farbe frischgemünzten Kupfers flog ihr um die Schultern. Ihr Gesicht schimmerte im Schein des Feuers. „In intimen Augenblicken… ist es in ihren Gedanken… ich weiß nicht.. ” sagte sie halblaut, führ sich mit den Fingern durchs Haar und strich es mit einer Geste, die Stolz und Trotz verriet, zurecht.
Und plötzlich war es, als befinde sich Jaelle am einen Ende des Raums und alle ihre Schwestern am entgegengesetzten Ende. Magda
war überzeugt, daß es das zuvor noch nie zwischen Jaelle und ihren Schwestern gegeben hatte, aber es war da, ein Graben, breiter als die Abgründe zwischen den Sternen. Sie dachte: Ich könnte jetzt aufstehen und mich als Terranerin zu erkennen geben, und ich käme ihnen weniger fremdartig vor, als es Jaelle in diesem Augenblick ist. Jaelle war weit weg, anders, allein, mit nichts als ihrem Stolz und ihrem flammenden Haar und dem Wort Comyn, das in Magdas Gedanken und im ganzen Raum widerhallte. Das Wort war wie eine feste Mauer, und sie trennte Jaelle von der einzigen Familie, die sie je gehabt hatte.
Natürlich hatten sie von ihrem Blut gewußt, sie wußten, daß Lady Rohana eine nahe Verwandte von ihr war. Doch nie in all diesen Jahren hatte Jaelle ein Wort gesprochen oder sich sonstwie anmerken lassen, daß ihr ComynBlut ihr etwas bedeutete. Ihr rotes Haar schien nicht mehr gewesen zu sein als ein Zufall. Jetzt stand der Unterschied greifbar im Raum. Magda betrachtete die Gesichter, sie sah sie mit Jaelles Augen, und sie waren plötzlich die Gesichter von Fremden. Sie spürte Furcht, eine wachsame Furcht, die man nicht vor Menschen hegt, sondern vor Göttern, Comyn, fremden Wesen, Außenseitern, Herrschern…
In diesem Augenblick war Jaelle eine Außenseiterin, keine geliebte Schwester, und sie alle wußten es. In dem Versuch, diese angsterregende Stille zu brechen, drehte Magda sich um und ergriff Jaelles Hand. „Ich glaube, es ist ein Spiel, das sie gern mit uns treiben”, sagte sie. „Sie möchten glauben, daß sie uns besitzen; sie wissen, daß sie es nicht tun, und das macht sie unsicher. Frauen leiden nicht so sehr unter einer Trennung wie Männer. Vielleicht sollten wir es ihnen nicht so sehr verübeln, daß sie sich vormachen, wir seien ihr Eigentum. Es ist ihre
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