Gildenhaus Thendara - 7
nicht allzu gut nachgekommen waren? Keitha… Keitha hat, was Liebe zwischen Frauen angeht, stärkere Vorurteile als ich. Ich war nicht die einzige, die zu Mittsommer einer, die ich liebe, nachgegeben hat…
„In Evandas Namen, warum blockierst du die Treppe?” fragte eine ärgerliche Stimme hinter ihr. Magda, am ganzen Körper zitternd, richtete sich auf und sah sich Rafaella gegenüber. Rafaella trug noch ihr Festkleid, das im Morgenlicht seltsam wirkte, ihre Haare waren zerzaust, ihre Augen gerötet. Sogar für Magda war es offensichtlich, wie sie die letzte Nacht verbracht hatte… Oder lese ich schon wieder Gedanken?
Mit einer gemurmelten Entschuldigung trat sie zur Seite. Doch Rafaella blieb stehen, musterte sie und faßte sie brüsk beim Arm.
„Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als setzten bei dir gleich die Wehen ein oder so etwas!”
„Ach, mir geht es ganz gut. Mutter Lauria hat mir etwas aufgetragen…” „Dann geh und tu es”, sagte Rafaella nicht unfreundlich. „Aber man sollte meinen, du und nicht ich wärest diejenige, die eine schlaflose Nacht verbracht und zuviel getrunken hat. Nun, ich glaube nicht, daß wir die einzigen sind. Wenn du deinen Auftrag ausgeführt hast, tätest du gut daran, den Rest des Tages im Bett zu verbringen - vorzugsweise allein!” Lachend stieg sie die Treppe hoch. Magda spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoß, doch es gelang ihr, sich zusammenzureißen und Camillas Zimmer aufzusuchen. Camilla war wach und halb angezogen; sie hörte Rafaellas Schritte und steckte den Kopf in den Flur hinaus.
„Da hast du nun in aller Frühe die Vögel geweckt, Rafi, Schätzchen - hat es sich wenigstens gelohnt?”
Rafaella rollte ausdrucksvoll mit den Augen. Dann lachte sie. „Wie könntest du es begreifen, wenn ich es dir erzählte? Aber - o ja, für einmal im Jahr! Jetzt will ich mich gründlich ausschlafen”
Sie verschwand in ihrem Zimmer. Camilla sah ihr vergnügt nach und wandte sich Magda zu.
„Willst du zu mir? Ich dachte mir schon, Mutter Lauria und die Terranerin würden mich früher oder später holen lassen…”
Hat Camilla auch diese Wahrnehmungen? Magda in ihrer Nervosität kam sich vor, als werde sie gleich in Stücke brechen. Einen Teil von ihr besetzten Rafaellas viel zu deutliche Oberflächengedanken an die vergangene Nacht - er mußte schon ein toller Mann gewesen sein -, die Erregung, die athletische Potenz, und Magda war wütend auf sich selbst, weil die geteilte Erinnerung eine Woge sexueller Hitze durch ihren eigenen Körper sandte, und jetzt las Camilla ihre Botschaft in ihrem Gehirn, bevor sie sie ausgerichtet hatte. Konnten sie das alle? Bisher war es nie geschehen. Es war nicht unmöglich, daß Camilla ein bißchen Comyn-Blut besaß. Ihr Haar zeigte heute eine verblichene Ingwerfarbe, aber in ihrer Jugend mußte es flammend rot gewesen sein wie das Jaelles. Tallo nannte man das hier. Sie betrachtete Camilla und das hagere, narbige Gesicht verschwamm. Sie sah ein liebreizendes Mädchen, vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, mit glänzenden dunkelroten Locken, ein Hauch von Arroganz, ein behütetes Kind, aufgezogen wie eine Prinzessin…
Ja, ich war ein liebreizendes Kind, was mir nichts Gutes eingetragen hat. Und dann überstürzten sich verworrene Erinnerungen: Ein zartes Kind, plötzlich aus seinem Heim gerissen und unter die Räuber gefallen, die rauhesten Männer, mehrfache brutale Vergewaltigung, ein Spielzeug für die grausamsten unter ihnen, von Hand zu Hand wandernd wie eine Hure, nein, weniger als eine Hure, nicht einmal mehr ein menschliches Wesen, geschlagen wie ein Tier, als ich zu fliehen versuchte… Peitschenriemen, die Fleisch von den Knochen rissen… Magda hatte die Narben auf Gesicht und Körper gesehen… Das kann ich nicht alles in ihren Gedanken lesen! Aber ihr eigener Körper wurde von dem gleichen Entsetzen und Schmerz geschüttelt… Und dann wehrte sie sich gegen diese Eindrücke, verjagte sie…
„Nein”, stieß Magda mühsam hervor, „nicht, Camilla.. ” Scham überwältigte sie. Wie konnte sie sich weigern, diese Erinnerungen zu teilen, wenn ihre Freundin das alles hatte erleiden müssen? Schon die Vorstellung genügte, um Magda würgen zu lassen…
„Margali! Bredhiya.. “ Camilla fing die Schwankende auf, und die Berührung schickte eine neue Welle der unerträglichen Visionen über sie hin…
So plötzlich, wie eine Tür ins Schloß fällt, waren sie abgeschnitten, und da war nur ihre alte Camilla, die
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