Gildenhaus Thendara - 7
das nicht tun dürfen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, wenn ich auch verstehe, daß sie bedenkenlos davoneilte, um bei einer Geburt zu helfen. Es hätte noch gefehlt, daß alle beide verschwinden! Wenn du nicht allein gehen willst, nimm Rafaella oder sonst jemand mit, aber nicht Margali”
Camilla verneigte sich ein wenig ironisch vor der Gildenmutter und wandte sich mit den Worten zum Gehen: „Ich komme zurück, sobald ich mich überzeugt habe, daß sie in Sicherheit ist”
„Nein, nein, warte auf sie und begleite sie nach Hause”, sagte Mutter Lauria. „Es tut mir ja leid, dich hinausschicken zu müssen, wo du so müde bist. Aber Margali ist ein großes Mädchen und kann dieses eine Mal allein ins Bett gehen” Sie lachte vor sich hin, und Magda spürte, daß sie errötete. Schnell fiel sie ein: „Ach wo, so müde bin ich gar nicht. Ich werde einmal nachsehen, ob ich beim Tischdecken für das Abendessen helfen kann, weil Keitha nicht da ist”
„Du darfst dir nichts daraus machen”, riet ihr Irmelin. Sie banden sich Schürzen um und nahmen Steingutschüsseln aus dem Schrank. „Das ist immer so; es macht ihnen Spaß, die Frauen aufzuziehen, die Liebende geworden sind. Nach ein paar Tagen sehen sie es als selbstverständlich an, so wie bei Cloris und Janetta. Aber wenn du mit Camilla Streit bekommst und ihr aufhört, das Bett zu teilen, werden sie wieder eine Zeitlang Witze machen. Mehr steckt nicht dahinter. Du hast doch gehört, wie Rafi geneckt worden ist, als sie für die Nacht mit einem Mann wegging - und da wir gerade von Rafaella sprechen, habe ich sie nicht eben auf der Treppe gehört?”
„Nein, sie hat das Haus schon vor Stunden verlassen, als ihr alle in Mutters Büro wart”, berichtete Rezi. „Sie sagte, sie müsse eine Karawane führen. Shaya hatte nach ihr aus der Terranischen Zone geschickt. Ich wollte ihr jede Menge Fragen stellen, aber sie hatte nicht für eine davon Zeit, und Margali…”
„Das ist jetzt nicht wichtig”, unterbrach Mutter Lauria sie hastig. „Nimm dein Messer und geh schnell Camilla nach. Wenn Keitha wirklich in eine Falle gelaufen ist…”
Rezis Gesichtsausdruck veränderte sich. „Bei der Göttin, daran habe ich überhaupt nicht gedacht! Und Keitha ist allein gegangen - in die Straße der neun Hufeisen, hast du gesagt?” Beim Sprechen zog sie sich den Mantel an. „Ich hole Camilla noch ein, bevor sie am Ende der Straße ist.” Die Tür knallte hinter ihr zu, und Mutter Lauria meinte: „Wir brauchen mit dem Essen nicht zu warten. Außerdem gibt es sicher nichts, worauf es sich zu warten lohnt; am Abend nach dem Fest kommen nur Reste auf den Tisch”
„Nun, wir haben ein halbes gebratenes Rabbithorn”, sagte Irmelin, „und reichlich Soße und Füllung. Und wenn irgendwer keine Reste mag, kann er sich an gutes Brot und Käse halten, und nach dem Fest täte es überhaupt jedem gut, einen oder zwei Tage lang zu fasten” Die Frauen gingen in den Speisesaal und setzten sich an den Tisch.
Magda war froh, daß Camilla nicht allein gegangen war; sie war nicht mehr jung, und sie hatten zwei schlaflose Nächte gehabt. Aber sie wünschte, sie könne diejenige sein, die mit Camilla Rücken an Rücken kämpfte, falls es zum Kampf kam. Sie beneidete Rezi, die ohne viele Worte ausgeschickt worden war, ihre Schwester zu verteidigen. Geistesabwesend nahm sie sich ein Stück Käse und knabberte daran.
Sie wäre die Richtige gewesen, mit Camilla zu gehen. Mutter Lauria hatte unrecht. Camilla war ihre Eidesschwester und ihre Liebhaberin. Es war ihre persönliche Verantwortung, an ihrer Seite zu kämpfen. Und auch Keitha war ihre Eidesschwester, so daß es ebenso ihre persönliche Verantwortung war, Keitha zu beschützen. Sie hätte Mutter Lauria davon überzeugen müssen, daß es eine Ehrenpflicht für sie darstellte.
Den ganzen Tag bin ich Terranerin gewesen, und jetzt denke ich wieder wie eine Darkovanerin…
Aus dem Flur drangen Lärm und laute Stimmen herein, und drei Frauen in durchweichten Mänteln stürmten in den Speisesaal.
„Wie es regnet! Als müsse ein Ausgleich für das gute Wetter in der Festnacht geschaffen werden, so ist es immer!” riefen sie. „Wir sind wieder da, allesamt…”
„Sherna! Gwennis! Devra!” Mutter Lauria lief zu ihnen und umarmte sie, und dann sprangen alle auf und umringten die Neuankömmlinge, halfen ihnen aus den Mänteln, stellten tausend Fragen. Devra, die große, ruhige Frau, war es, die Magda zuerst wiedererkannte und an sich
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