Gildenhaus Thendara - 7
ihren Geist weit für Jaelle hätte öffnen sollen, hatte sie sich verbarrikadiert und die Erkenntnis zurückgewiesen, weil sie sich davor fürchtete. Verzweifelt sah sie zu Camilla hin. Die starken Barrieren der Älteren hatten sie unempfänglich für Jaelles Not gemacht.
Gefahr, Gefahr nähert sich Jaelle aus allen Richtungen. Rotes Blut breitet sich auf dem Sand aus. Sie hatten den Traum geteilt, sie war in Jaelles Armen erwacht, ihre Freundin brauchte sie, aber sie war davor geflohen, und jetzt war Jaelle gegangen, lief davon… Peter war tot, und Jaelle war fort…
Sie hörte ihre eigene Stimme kaum.
„Schnell, Rezi! Sag nur, was sich abgespielt hat”
„Shaya wollte ihr Pferd holen und Reiseverpflegung und ihre Stiefel - ich habe ihr meine Reitstiefel geliehen, ich weiß nicht, was mit ihren eigenen passiert ist. Sie hatte geweint, aber sie wollte mir nicht erzählen, was ihr Kummer machte, und dann ritt sie davon. Das war, bevor es anfing zu regnen”
Magda schnürte es die Kehle zu. Es war nicht Rezis Schuld. Sie hätte wissen müssen, daß Jaelle sie brauchte, und sie hatte unerreichbar in Mutter Laurias Büro gesessen und diplomatische Spielchen getrieben, über Dinge diskutiert, die in einem Augenblick hätten geregelt werden können! Aber das war auch nicht fair. Cholayna hatte es unmöglich wissen können. Sie sah zu den Frauen hin. Immer noch lachten und scherzten und tranken sie mit den dreien, die aus Nevarsin zurückgekehrt waren. Sie alle waren Jaelles Freundinnen. Camilla war ihre Eidesschwester…
Außenseiter. Sie waren Außenseiter. Keine von ihnen begriff. Jaelle hatte eine unsichtbare Linie überquert, und nun war sie hier eine Außenseiterin, wie Magda es immer gewesen war. Sogar Camilla war imstande gewesen, Jaelles Leid auszuschließen, damit es sie nicht an ihr eigenes erinnerte. Niemand zollte Magda die geringste Aufmerksamkeit, als sie leise den Speisesaal verließ und die Treppe hinaufeilte. Solange Jaelle sich nicht allzu weit von der Stadt entfernt hatte, konnte sie sie finden. Schnell rollte sie warme
Strümpfe, dicke Unterwäsche, ihre wärmste Hose und Jacke zu einem Bündel zusammen und tauschte ihre Schuhe gegen Reitstiefel ein. Sie rannte die Hintertreppe hinunter in die Küche und machte ein Päckchen aus einem Stück hartem Reisebrot, etwas Käse und kaltem Fleisch und einer Kelle Trockenobst aus dem Kasten. Im Stall sattelte sie ihr Pferd. Mit ihm war sie in die Berge geritten, um Peter Haldane zu retten, mit ihm war sie an den Brandherd geeilt. Sie brach ihr Versprechen, das Haus nicht zu verlassen, doch daran dachte sie kaum.
Gerade wollte sie sich in den Sattel schwingen, als sie merkte, daß Camilla in der Stalltür stand und sie beobachtete.
„Du kannst nicht gehen, Margali”, sagte Camilla leise. „Liebes, du darfst nicht. Damit brichst du deinen Eid”
Magda ließ den Fuß aus dem Steigbügel gleiten. Sie ging zu Camilla und legte ihr die Hände auf die Schultern.
„Camilla, es ist eine Sache der Ehre”, bat sie, und dann schluckte sie schwer und benutzte die Waffe, die sie nie hatte benutzen wollen. „Wir haben uns einen Eid geschworen, damals in den Bergen, noch ehe ich ins Thendara-Haus kam”, sagte sie mit zitternder Stimme. Das hatten sie nicht getan, nicht mit Worten, aber sie wußte jetzt, daß sie sich einander fürs Leben angelobt hatten, als Jaelle an dem Streich des Räubers sterbend dalag und Magda sich entschloß, ihre Mission aufzugeben, damit Jaelle am Leben blieb. Peter Haldane hatte im Vergleich zu diesem Bund für keine von ihnen je eine Rolle gespielt, nur hatte Magda das bis jetzt nicht gewußt. Wenn ich es gewußt hätte, wenn ich gewußt hätte, was Jaelle mir tatsächlich bedeutet, dann hätte sie Peter nie geheiratet. Aber ich wußte es nicht. Erst Camilla hat mich gelehrt, was Jaelle mir ist und daß die Liebe von Schwestern schwerer wiegt als die Liebe zu irgendeinem Mann auf der Welt.
„Wir sind bredhyini, Camilla”, sagte sie. „Ich flehe dich an - wenn du mich liebst, Camilla -, laß mich ihr folgen”
Camillas Gesicht war schneeweiß. „Ich hätte es mir denken können. Das war der Grund, warum du dich mir nicht angeloben wolltest. Ich ..!’ Sie holte tief Atem. „Es kommt nicht darauf an, daß wir uns geliebt haben”, setzte sie nach einer Weile hinzu. „Wichtig ist, daß wir immer Freundinnen und Schwestern sein werden. Wenn es für dich eine Sache der Ehre ist.. ” sie zögerte und erklärte endlich: „Du hast dich
Weitere Kostenlose Bücher