Gildenhaus Thendara - 7
Elend war so heftig, daß Magda kam und Jaelle sanft auf die Decke niederdrückte. „Das Beste, was du tun kannst, ist schlafen und dir keine Sorgen machen”
Als Jaelle wieder in einen unruhigen, von Alpträumen gequälten Schlaf gefallen war, setzte sich Magda an den Höhleneingang und beobachtete den endlosen Regen, der den Fluß im Canon anschwellen ließ. Sie würden Tage, vielleicht zehn Tage lang in der Höhle bleiben müssen. Niemand wußte, wo sie steckten. Der fieberische Glanz in Jaelles Augen gefiel ihr gar nicht, und ebenso wenig ihre einem Delirium ähnlichen Gedankengänge. Es war Magda mittlerweile selbstverständlich geworden, daß sie Jaelles Gedanken teilte, wenn ein enger Kontakt zwischen ihnen bestand. Nun, Lady Rohana hatte ihr damals gesagt, sie besitze potentiell starkes Laran. Von Camilla hatte sie gelernt, ihre Barrieren für lange Zeit geschlossen zu halten. Camillas Absichten waren gut gewesen - tatsächlich hatte sie es aus reiner Liebe getan -, aber es bedeutete, daß Magda keine Chance bekommen hatte, sich in der Kontrolle und im Gebrauch ihres Laran zu üben. Und jetzt hatte irgend etwas dieses Talent verstärkt. Der Kontakt mit Jaelle? Der Einfluß des Kireseth-Harzes, das eine starke psychedelische Wirkung hatte?
Wie es auch geschehen sein mochte, es war geschehen, und sie mußte mit einer ungeheuren Überladung an neuen Sinneseindrücken fertig werden, die zu verarbeiten ihr Verstand noch nicht gelernt hatte. Ihr war, als könne sie nach allen Richtungen zugleich sehen, als habe sie nicht nur im Hinterkopf Augen, sondern auch in der Kopfhaut und an verschiedenen Stellen ihres Körpers, so daß sie die Rückwand der Höhle ebenso gut sah wie den überfluteten Canon unter ihr, die kleinen Nagetiere, die durch Gänge in den Wänden huschten, die nächtlichen Räuber, die in Nestern aus Zweigen an der Decke eine Art Winterschlaf hielten. Sie fühlte Jaelles Körper, als
sei er in ihre eigenen erweiterten Sinne eingebettet - spürte man während der Schwangerschaft auf diese Weise eine zweite Person in sich? Schmerz schlummerte in Jaelle, bereit zu erwachen. Magda tastete sich weiter vor und nahm das schlafende Bewußtsein auf einer tieferen Ebene wahr, wo das Kind sich im Mutterleib zusammenrollte…
Ich habe nie ein Kind gewollt. Oder war es so, daß ich nur Peters Kind nicht wollte? Was ich für ein Kind empfunden hätte, empfinde ich für Jaelle und mehr, und ich kann jetzt nie mehr glücklich sein, bis ich ein Kind habe. Sie lächelte traurig vor sich hin. Aber inzwischen habe ich erkannt, daß ich eine Liebhaberin von Frauen bin, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß es mir auf diesem Weg gelingen wird, schwanger zu werden! Das ist der einzige Nachteil, der mir einfallen will. Vielleicht hätte ich ein Kind haben sollen, bevor ich mich für diesen Weg entschied. Magda mußte lachen, denn ihr war klar, daß sie diese Art von Selbstdefinierung für immer hinter sich gelassen hatte, als sie das Gildenhaus verließ. Nein, ich nenne mich nicht eine Liebhaberin von Frauen. Es gibt Frauen, die ich liebe, das ist alles. Aber was auch in Zukunft geschehen mag - nun, den Falken will ich fliegen lassen, wenn seine Schwingen gewachsen sind. Sie wunderte sich, warum sie sich trotz ihrer verzweifelten Situation - allein, durch die Überschwemmung abgeschnitten, Jaelle krank, vielleicht sehr krank und vielleicht wahnsinnig - so glücklich fühlte, als seien sie und Jaelle und das Kind alle eins mit etwas, das größer war als sie, etwas, das in allem lebte, was um sie war. Der Himmel und das Wasser und der fallende Regen und der rauschende Fluß, die Bäume, die ihre Blätter im Regen badeten, die Erde, die sich der Flut öffnete wie eine Frau der Berührung ihres Liebhabers, auch die Tierchen in den Wänden der Höhle und die Insekten im Stroh waren Teil davon. War sie immer noch ein bißchen von dem Kireseth-Harz berauscht? Nein, dies war etwas anderes. Wenn sie religiös wäre, würde sie es eine Wahrnehmung Gottes nennen, das Wissen, daß alles um sie Leben besaß und daß sie Teil davon war. Ihre Liebe zu Camilla, ihre heftige Liebe zu Jaelle, die Leidenschaft, die sie mit Peter geteilt hatte, die kurze Zärtlichkeit für Monty, sogar die Sympathie, von der sie beim Tanz mit Darrell, Sohn Darnaks, erfüllt gewesen war, die Art, wie sie den alten Koordinator Montray zu bemuttern pflegte, ihre Teilnahme an dem Schmerz Byrnas bei der Geburt, ihre Angst unterwegs - alle diese Dinge
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