Gildenhaus Thendara - 7
war, als verschwinde das kleine Mädchen, das ihre Tochter hätte werden können, in Wolken wie die des Sees von Hali, entfernte sich weiter und weiter, und als sie nichts mehr von ihm
sehen konnte als einen blauen Schimmer von seinem Kleid, erfaßte sie, daß es eine echte Trennung war. Noch ein Tod.
„Nein! Nein! Komm zurück”, rief sie immer wieder und wieder, doch es war zu spät. Das kleine Mädchen war fort, und sie weinte, weil es so weh tat, so weh… wie beim ersten Mal, als sie entdeckt hatte, daß sie blutete, und sich fürchtete, das jemandem zu verraten…
„Jaelle!” Magda, sehr blaß, beugte sich über sie. „Du hast im Schlaf geweint… Was ist los?”
„Oh, Magda, sie ist gegangen, sie ist tot, ich konnte sie nicht zurückrufen. Ich habe ihr gesagt, ich wolle sie nicht, und sie ging einfach weg…” „Wer, Jaelle? Du hast wieder einen Alptraum gehabt, Liebes. Erzähle ihn mir”
„Meine Mutter. Nein, es war mein Kind. Und sie ging einfach weg…” schluchzte Jaelle. „Ich hätte sie so gern nach dir genannt, Margali… Oh, mir tut alles weh, so schrecklich weh…”
Magda hielt sie fest und tröstete sie und glaubte zuerst, Jaelle habe wirklich nur einen Alptraum gehabt. Doch dann sah sie, daß es mehr war als das. Sie spürte die Schmerzen, die den Körper der Jüngeren zerrissen, und mit Entsetzen erkannte sie, was geschah.
Das habe ich befürchtet. Sie ist so krank gewesen und hat unter solchem Druck gestanden. Sie hat eine Fehlgeburt. Und es ist viel zu früh, es sind erst vier Monate. Das Kind hätte nicht einmal bei den Terranern mit ihren lebenserhaltenden Maschinen eine Chance. Und sie, Magda, hatte nicht die leiseste Ahnung, was zu tun war, allein, ohne warmes Wasser oder auch nur die einfachste Hygiene, in einer schmutzigen Höhle, vom Wasser eingeschlossen…
Jaelle wand sich und schrie vor Schmerz. Magda ergriff ihre Hände. „Liebling”, sagte sie, „Jaelle, Liebling, du mußt tapfer sein, du mußt aufhören zu schreien und dir alle Mühe geben, dich zusammenzunehmen” Ich will nicht, daß sie stirbt. Und das ist hier kein Ort, um eine Fehlgeburt zu haben. Und ich weiß nicht, was ich für sie tun soll. Oh, Göttin, ich brauche Hilfe. Ich brauche Marisela oder jemanden wie sie. Und ich bin ganz allein mit ihr. Und ich darf sie nicht einmal merken lassen, welche Angst ich habe. Sie hat so schon genug Angst.
Nun, sie mußte einfach tun, was sie konnte. Jaelles Schluchzen war in ein leises Wimmern übergegangen. Ich will versuchen, tapfer
zu sein. Wie damals, als ich vom Pferd fiel und mir die Schulter verrenkte und Kindra wegen meiner Tapferkeit stolz auf mich war. Ich kann auch für Magda tapfer sein. Arme Magda, sie ist so gut zu mir gewesen. Mein armes Kind. Mein armes kleines Mädchen. Ob es ihr weh getan hat zu sterben?
Magda schirmte sich gegen Jaelles Gedanken ab, so gut es ihr möglich war. Es würde Jaelle kein bißchen helfen, wenn auch sie litt. Sie holte alles trockene Holz herbei, das noch übrig war, und machte das Feuer so groß, wie sie es wagte. Dann hängte sie den Wassertopf auf - Jaelle würde ein heißes Getränk brauchen, und danach konnten sie sich an gekochtem Essen stärken. In ihren Satteltaschen fand sie zwischen der Reisekleidung zwei saubere Flanell-Nachthemden. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr, daß sie sie eingepackt hatte. Eins davon würde sie Jaelle später anziehen. Das andere legte sie auf die weniger schmutzige Seite der Decke. Jahrhundertelang, redete sie sich zu, haben Frauen ohne terranische Hygiene unter primitiven Umständen Kinder bekommen und Fehlgeburten gehabt.
Ja, und sind daran gestorben. Sie befahl diesem Gedanken, wegzugehen und still zu sein, und bereitete sich innerlich darauf vor, Jaelle zu beruhigen, obwohl sie sich selbst gar nicht sicher war, was sie tun sollte. Sie wußte, daß es eine Menge Blut geben würde. Das hatte sie aus zu vielen Alpträumen Jaelles gelernt.
Sie kniete nieder und streifte Jaelle die schmutzige und blutgetränkte Reisekleidung ab. „Als erstes mußt du dich entspannen und tief durchatmen. Komm, Jaelle, du hast mehr Vorträge von den Hebammen gehört als ich. Wenigstens eine von uns sollte genug davon im Gedächtnis behalten haben, daß ich keine zu schlimme Pfuscharbeit leiste”
8. Kapitel
Das meiste Brennholz war verbraucht. Magda schleppte sich todmüde an die Höhlenöffnung und blickte ins Tal hinunter. Das Wasser war im Laufe des Tages weiter zurückgegangen. Wir hätten heute
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