Gildenhaus Thendara - 7
braucht keine Angst zu haben, daß sie jemanden aufweckt, der seinen Schlaf braucht. Rafaella ist jetzt bei ihr, aber Rafi muß bei Sonnenaufgang reiten und deshalb noch ein bißchen schlafen.”
Im vierten Stock war in einem Zimmer Feuer angezündet, und vor dem Feuer ging Byrna, dicke Schals über dem Hemd, auf und ab. Sie wandte sich ihnen zu und sagte: „Danke, daß du bei mir bleiben willst, Margali - es tut mir leid, daß du aufstehen mußtest…”
„Das macht nichts” Magda ergriff ungeschickt ihre Hände. „Wie fühlst du dich?”
„Es schmerzt nicht so sehr, wie ich dachte, jedenfalls jetzt noch nicht”, antwortete Byrna. „Es ist wie ein schlimmer Anfall von Krämpfen, und es kommt und geht. Zwischendurch geht es mir gut”
„Und es wird auch nicht so weh tun, wenn du daran denkst, was Marisela dir gesagt hat, und hineinatmest” Rafaella kam und legte einen Arm um Byrnas Taille. „Ich habe vier Kinder geboren, ich weiß Bescheid” Sie drückte Byrna und wandte sich dann an Magda. „Weißt du, was du in diesem frühen Stadium zu tun hast?”
Magda schüttelte den Kopf. Rafaella brachte es immer fertig, daß sie sich dumm und unfähig vorkam. „Ich habe noch nie einer Frau bei einer Geburt beigestanden”
Rafaella hob die Augenbrauen. „In deinem Alter? Wo, in Avarras Namen, bist du aufgewachsen? Nun, alles, was du in diesem Stadium tun kannst, ist, sie bei guter Laune zu halten und sie daran zu erinnern, daß sie sich entspannt, wenn sie anfängt, sich zu verkrampfen. Sie soll sich in das, was in ihrem Inneren vorgeht, nicht einmischen. Laß sie soviel Wasser trinken, wie sie möchte, oder auch Tee” Sie wies auf einen Kessel, der an einem langen Haken über dem Feuer hing. „Und wenn sie sich schwach fühlt, tust du einen Löffel
Honig hinein. Reg dich nicht auf, wenn sie sich Übergibt, das ist bei manchen Frauen so. Von Wichtigkeit ist nur, daß du bei ihr bist und ihr Mut zusprichst”
Magda stammelte: „Und wenn… wenn das Baby kommt, bevor die Hebamme hier ist?”
Rafaella wunderte sich. „Na und? Wenn es von selbst kommt, ist es das Beste, was passieren kann. Manchmal ist es so, keine Schmerzen, keine Aufregung. Du wickelst es dann in irgend etwas ein, das zur Hand ist. Schneide die Nabelschnur nicht durch. Lege das Kind nur auf ihren Bauch und schreie nach jemandem, der weiß, was zu tun ist. Das weiß jede der Gildenmutter” Ungeduldig setzte sie hinzu: „Es ist nichts dabei, ein Baby zu versorgen, das von selbst kommt. Nur wenn sie nicht von selbst kommen, braucht man Hilfe! Camilla wird von Zeit zu Zeit hereinsehen. Wenn Byrna drücken will, sag Camilla, sie soll schnell jemanden holen, aber ich glaube, das wird noch Stunden dauern. Und um Himmels willen, beruhige dich, du wirst Byrna ängstigen, wenn du so nervös bist! Wäre sonst jemand da, würde ich sie nicht ausgerechnet dir überlassen. Doch wer konnte ahnen, daß du in deinem Alter so unwissend bist?” Rafaella trat noch einmal zu Byrna und umarmte sie, sagte: „Sorge dafür, daß es eine hübsche kleine Amazone für das Haus wird, ja?” und ging mit Camilla. Magda blieb allein bei Byrna zurück. Sie sahen sich ziemlich hilflos an, dann flüsterte Byrna: „Oh - es geht wieder los”, faßte Magda um die Taille, lehnte sich schwer an sie und keuchte leise. Als es vorbei war, holte sie tief Atem. „Das hat nun doch weh getan!”
„Vielleicht bedeutet das”, meinte Magda, „daß es nicht so lange dauern wird, wie du denkst”
„Ich möchte mich eine Weile ausruhen” Byrna ließ sich auf die Matratze fallen, die auf den Fußboden gelegt worden war, bedeckt mit sauberen, aber zerfetzten Laken. Sie seufzte.
„Meine Eidesmutter hatte mir versprochen, bei der Geburt hier zu sein, aber ich habe gehört, in den Kilghardbergen sind Überschwemmungen, und da konnte sie nicht reisen” Sie blinzelte die Tränen aus den Augen. „Ich bin so einsam hier, es sind keine Eidesschwestern im Haus - alle sind freundlich zu mir, aber es ist nicht dasselbe, als wenn meine Eidesschwestern hier wären”
Die Zeuginnen deines Eides sind deine Familie… Magda dachte daran, wie schnell ein enges Band zwischen ihr und Jaelle entstan
den war und daß Camilla sie mit ungewöhnlicher Freundlichkeit behandelt hatte.
„Byrna, wir alle sind deine Schwestern, verbunden durch den Eid - jede einzelne von uns hier”
„Ich weiß, ich weiß” Doch schon wieder kamen Byrna die Tränen, und sie ballte die Hände zu Fäusten. Sie schloß die
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