Gildenhaus Thendara - 7
Byrna war gewaschen, ihr Haar war gekämmt und geflochten. Sie hielt die Augen geschlossen und sah friedlich aus.
„Laß mich ihn in die Wiege legen, solange du deine Milch trinkst, breda.” Camilla hielt ihr den Becher an die Lippen. Byrna drückte das Kind an sich. „Nein, ich möchte ihn bei mir behalten, bitte, bitte…!’
Marisela schickte Camilla, Magda und Keitha zum Frühstück. Sie werde ein paar Stunden bei Byrna bleiben, sagte sie, und aufpassen, ob sie zu bluten beginne. Auf der Treppe seufzte Camilla.
„Das arme kleine Ding”, sagte sie. „Ich hoffe, Ferrika wird rechtzeitig hier eintreffen, um sie zu trösten, wenn sie ihr Kind hergeben muß - ich mache mir Sorgen um sie” Sie legte einen Arm um Magda. „Du bist auch müde hattest du vorher noch nie bei einer Geburt geholfen?”
„Nein”, gestand Magda. „Du?”
„O ja - ich hätte es schon fertiggebracht, wenn Keitha nicht dagewesen wäre. Rafaellas zweiter Sohn wurde auch so geboren. Sie dachte noch gar nicht daran, denn sie hatte die Zeit nicht richtig berechnet und wußte nicht, daß sie schon in den kritischen vierzig Tagen war” Camilla lachte. „Wir ritten zusammen in der Umgebung des Neskaya-Gildenhauses; wir waren auf Feuerwache gewesen. Rafaella hatte kaum noch Zeit, die Hose auszuziehen. Das Kind wurde mir in die Hände geboren, als ich mich bückte, um nachzusehen, ob tatsächlich die Wehen eingesetzt hatten. Wir wickelten es in meine Jacke, und sie ritt neben mir nach Hause” Die lange emmasca kicherte vor sich hin. „Die Trockenstädterinnen sollen bis zum Tag der Geburt reiten, aber das übertraf alles, was ich je gehört habe!” Der Geruch nach kochendem Frühstück stieg die Treppe hinauf, aber Camilla schlug nicht die Richtung zum Speisesaal ein. Statt dessen öffnete sie die Haustür. Dunkel und leer lag die Straße da. Es fiel immer noch dichter Schnee, doch das Licht war stärker geworden. Magda fühlte sich verloren in der Welt dicker Schneeflocken, verloren, sehr fremd an diesem seltsamen Ort. Sie hatte das Gefühl, wenn sie sich jetzt durch irgendeinen Zufall im Spiegel sähe, würde sie sich nicht erkennen. Camilla hörte ihren Seufzer und verstärkte den Druck ihres Arms um Magdas Schultern. „Ich kann mir vorstellen, daß du es müde bist, dich aufs Haus beschränken zu müssen, aber so dunkel und trostlos die Tage jetzt auch sind, es wäre schlimmer, mitten im Sommer eingesperrt zu sein. Die Zeit wird vorbei sein, ehe du denkst. Da ist Blut an deiner Jacke und an deinem Handgelenk” Sie hob Magdas Hand hoch. „Wir haben in den Bergen, wo ich aufgewachsen bin, ein altes Sprichwort: Wenn vor dem Frühstück Blut auf dich fällt, wirst du vor dem Abend bluten. Ist deine Periode fällig?” Magda verstand sie nicht gleich, denn Camilla hatte den Cahuenga -Dialekt gesprochen. Sie wiederholte die Frage auf casta, und Magda schüttelte den Kopf.
„O nein, noch lange nicht” Die Schneeflocken, die von der Straße hochwirbelten, fühlten sich kalt auf ihren Wangen an. Camilla musterte sie beunruhigt.
„Aber du bist schon länger als vierzig Tage hier, und du hast sie nicht gehabt breda, bist du schwanger?”
Verdammt noch mal, wurde sie von aller Welt derartig genau beobachtet? Erbittert antwortete Magda: „Hölle, nein!”
„Wie kannst du so sicher sein.. ” Camillas Gesichtsausdruck veränderte sich. „Margali! Hast du einen Fruchtbarkeitszerstörer genommen?” Wieder dauerte es einen Augenblick, bis Magda sie verstand. Dann sagte sie sich, daß das Mittel wahrscheinlich in etwa ein Gegenstück zu der terranischen medizinischen Behandlung war, die die Menstruation und die weiblichen Funktionen unterdrückte. Sie nickte; das sparte lange Erklärungen.
„Weißt du nicht, daß diese Drogen dich umbringen können, Kind? Warum tut ihr Mädchen so etwas?” Camilla brach ab und schüttelte wehmütig den Kopf. „Gerade ich habe kein Recht, dir Vorhaltungen zu machen, da ich bin, was ich bin… und dieser Gefahr für immer entronnen. Es ist so lange, so lange her, daß ich mich kaum noch erinnere, wie es ist, von solchen Sehnsüchten und Begierden getrieben zu werden. Aber manchmal - wenn ich an Byrnas Gesicht denke, als sie ihr Kind ansah - mache ich mir Gedanken” Der tiefe Seufzer erschütterte ihren ganzen Körper, doch ihre Lippen waren fest zusammengepreßt, und sie sah gleichmütig hinaus in den fallenden Schnee. Magda hatte sich schon oft gefragt, was eine Frau veranlassen könne, sich hier auf
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